Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

Der vorliegende Ergebnisbericht der Online-Umfrage zur Lebenssituation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans*, Inter* und queeren Menschen (LSBTTIQ*) in Brandenburg entstand parallel zur Erarbeitung des „Aktionsplans Queeres Brandenburg". Die Befragung, die von April bis Juni 2017 durchgeführt wurde, kann als Datengrundlage zur Veranschaulichung der Lebensrealität von LSBTTIQ* in Brandenburg dienen.

Teilnehmende LSBTTIQ*

Die Studie greift auf die Antworten von 314 in Brandenburg lebenden LSBTTIQ* zurück. Darunter sind etwa ein Drittel Lesben, ein weiteres Drittel Schwule, etwa ein Achtel Bisexuelle und ebenso viele Trans*.3 Darüber hinaus konnte die Studie Antworten von zwölf asexuellen, acht pansexuellen und zwei intergeschlechtlichen Menschen gewinnen. Dazu kommen Menschen, die sich nicht festlegen können oder wollen (18 Personen). Die ausgewogene Verteilung der Befragten ließ es zu, quantitative Unterschiede zwischen den vier größeren „Gruppen" Lesben, Schwule, Bisexuelle und Trans* herauszuarbeiten.

Zur Stichprobe

Etwa zwei Drittel der Befragten leben in Städten (über 20.000 Einwohner*innen), ein Drittel lebt im ländlichen Raum. Knapp die Hälfte ist noch keine 30 Jahre alt, 35 Prozent zwischen 30 und 45 Jahre und 15 Prozent der Umfrageteilnehmer*innen haben bereits das Alter von 45 Jahren4 überschritten.

Erfahrungen mit Diskriminierung

Von den Befragten hat etwa die Hälfte (48 Prozent) in den vergangenen fünf Jahren negative Erfahrungen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung beziehungsweise geschlechtlichen Identität gemacht. Das heißt, dass jede*r Zweite von Diskriminierung betroffen ist oder war. Besonders häufig von Diskriminierung betroffen sind Trans*Personen - drei von vier berichten über negative Erlebnisse in den vergangenen fünf Jahren. Etwas mehr als die Hälfte der Lesben, 41 Prozent der Schwulen und zirka ein Drittel der Bisexuellen waren ebenfalls mit negativen Reaktionen wie Benachteiligung, Ablehnung oder Ausgrenzung konfrontiert. Zu den häufigsten Diskriminierungsformen zählen Gaffen, die Erfahrung, nicht ernstgenommen zu werden oder Beleidigungen und verbale Angriffe, aber auch das lächerlich Machen, herabsetzende Sprüche oder das Vermeiden von Kontakt. Gefragt nach den Orten, an denen die Teilnehmer*innen Diskriminierung erfahren haben, wird die Familie von den meisten genannt, gefolgt von der Öffentlichkeit, dem Freizeitbereich und der Schule. Die Kernergebnisse im Einzelnen:

Familie

Weit mehr als die Hälfte der Befragten gibt an, dass ihre sexuelle Orientierung beziehungsweise geschlechtliche Identität im Familienkreis positiv aufgenommen wurde. Dennoch machte mehr als ein Drittel der Befragten die Erfahrung, dass ihre sexuelle Orientierung beziehungsweise geschlechtliche Identität im Alltag nicht mitgedacht, nicht ernst genommen oder absichtlich ignoriert wurde. Der Anteil der Trans*Befragten, auf die die Feststellung zutrifft, ist hier fast doppelt so hoch im Vergleich zu lesbischen, schwulen und bisexuellen Befragten.

Freizeit

Im Schnitt waren in den vergangenen fünf Jahren etwa zwanzig Prozent der Befragten von negativen Reaktionen im Freizeitbereich betroffen. Trans*Befragte wurden auch hier häufiger diskriminiert (35 Prozent). Sie sind es, zusammen mit den schwulen Befragten, die am häufigsten mit Diskriminierungen zum Beispiel im Sport zu kämpfen haben.

Schule

Gut ein Drittel der Befragten haben innerhalb der vergangenen fünf Jahre negative Erfahrungen in der Schule gemacht. Dabei kamen ihnen nur in zwei von drei erlebten Diskriminierungssituationen Lehrpersonal und/oder Mitschüler*innen zu Hilfe. Besonders betroffen sind erneut Trans*Personen. Von diesen geben zwei Drittel an, diskriminierende Schulerfahrungen gemacht zu haben.

Arbeitswelt

Die Ergebnisse zeigen, dass es am Arbeitsplatz nach wie vor zu Benachteiligungen von LSBTTIQ* kommt: Von Diskriminierungserfahrungen am Arbeitsplatz berichten die berufstätigen Befragten sowohl im Öffentlichen Dienst (23 Prozent), wie auch noch stärker in der freien Wirtschaft (32 Prozent). Die Studie zeigt auch: Eine gute Mehrheit der Brandenburger Befragten berichtet nicht von erlebten Benachteiligungen den letzten Jahren.

Gesundheit

Befragte, die bereits Erfahrungen in medizinischen, therapeutischen, pflegerischen und/oder betreuerischen Lebensbereichen gemacht haben, geben zu über 90 Prozent an, dass ihnen mit Respekt begegnet wurde. Aber weniger als die Hälfte fühlte sich bei ihren besonderen Anliegen aufgrund der sexuellen Orientierung beziehungsweise geschlechtlichen Identität kompetent informiert und beraten.

Polizei/Justiz

Jede*r sechste LSBTTIQ*-Befragte hat in Brandenburg nach eigenen Angaben innerhalb der vergangenen fünf Jahre Erfahrungen mit Verbrechen oder Gewalt aufgrund der eigenen sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität erlebt, sei es physische, psychische oder sexuelle Gewalt. Bei lesbischen, schwulen und bisexuellen Befragten liegt die Gewaltexposition, also die Häufigkeit der Gewalterfahrung, auf vergleichbarem Niveau zwischen 13 Prozent und zehn Prozent der Befragten. Von Trans* ist dagegen jede*r Zweite mit Verbrechen und Übergriffen auf die eigene Person konfrontiert gewesen. Die Anzeigebereitschaft von LSBTTIQ* ist mit 32 Prozent der berichteten Übergriffe sehr niedrig.

Selbsthilfestrukturen

Den befragten LSBTTIQ* sind folgende Beratungs- und Hilfsangebote aus der brandenburgischen Selbsthilfelandschaft besonders wichtig: Coming-out-Beratung, Beratung in Fällen von Benachteiligung, Ablehnung und Ausgrenzung sowie Rechtsberatung.

Dank an die Beteiligten

Mit 314 Befragten bietet die Betroffenenbefragung eine belastbare Datengrundlage zur Diskriminierungssituation gerade jüngerer LSBTTIQ* in Brandenburg, die an vielen Stellen mit den Ergebnissen ähnlicher Online-Erhebungen in Baden-Württemberg5 und Rheinland-Pfalz6 vergleichbar ist. Wir danken allen, die an der Online-Befragung zur Lebenssituation von LSBTTIQ* in Brandenburg teilgenommen und ihre persönlichen Erfahrungen mitgeteilt haben. So konnte eine erste Datengrundlage entstehen, um Lebenssituationen und Alltagserfahrungen darzustellen sowie vorhandene Diskriminierung zu erkennen und geeignete Schritte einzuleiten. Des Weiteren danken wir den Ansprechpartner*innen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg für die zur Verfügung gestellten Informationen und Unterlagen aus den dort bereits durchgeführten Befragungen. Dadurch war der Rückgriff auf ein bereits in der Praxis erprobtes Fragebogendesign möglich und die Ergebnisse der Befragung im Land Brandenburg konnten mit Erkenntnissen aus den dortigen Erhebungen verglichen werden.


3 Mit einer PR-Kampagne, wie es sie in Baden-Württemberg zur Bewerbung der dortigen Studie gab, hätte man auch in Brandenburg noch mehr potentielle Teilnehmende aus der Zielgruppe erreichen können. Dennoch ist die Teilnehmerzahl, prozentual an der Bevölkerung der Bundesländer gemessen, stark vergleichbar und bildet daher auch vor dem Erfahrungshintergrund bisheriger Betroffenenbefragungen eine gute Basis.
4 Damit weist die Stichrobe ein sehr junges Durchschnittsalter auf. Es ist aufgrund der geringen Fallzahlen in den höheren Alterskategorien nicht sinnvoll, die über 45-Jährigen weiter zu differenzieren.
Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren Baden-Württemberg (2014): Onlinebefragung zur Lebenssituation von LSBTTIQ-Menschen in Baden-Württemberg. URL: https://sozialministerium.badenwuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/msm/intern/downloads/Downloads_Offenheit_und_Akzeptanz/Onlinebefragung_Aktionsplan_Akzeptanz_2014.pdf.
6 Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen des Landes Rheinland-Pfalz (2013): Lebenssituation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgender und Intersexuellen in Rheinland-Pfalz. Auswertungsbericht zur Online-Befragung von Juni bis Oktober 2013. URL: mifkjf.rlp.de/fileadmin/mifkjf/Familie/Gleichgeschlechtliche_Lebensweisen/RLP_unterm_Regenbogen/Langfassung.pdf.

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