6.3 Arbeitswelt

Die überwiegende Mehrheit der Befragten (85 Prozent) war zum Zeitpunkt der Befragung oder davor erwerbstätig. LSB-Personen geben dabei häufiger eine Erwerbstätigkeit an (Schwule zu 91 Prozent, Lesben zu 88 Prozent, Bisexuelle zu 78 Prozent) als Trans*Personen (69 Prozent). Damit liegt die rein quantitative Integration der LSB-Personen in den Arbeitsmarkt in Brandenburg auf einem ähnlichen Niveau wie beispielsweise in der baden-württembergischen Studie (86 Prozent), die von Trans*Personen unterhalb der Situation in Baden-Württemberg (79 Prozent).48 Dass Trans* deutschlandweit von Diskriminierung am Arbeitsplatz betroffen sind, ist durch Studien mehrfach aufgezeigt worden.49

42 Prozent der erwerbstätigen Befragten geben an, zurzeit im Öffentlichen Dienst tätig zu sein beziehungsweise tätig gewesen zu sein (inklusive Ausbildung). Hier sind Lesben, Schwule und Bisexuelle auch etwas häufiger vertreten als Trans*Personen (22 Prozent).

Die Teilnehmer*innen wurden ebenfalls zu negativen Reaktionen an ihrem Arbeits- oder Ausbildungsplatz aufgrund ihrer sexuellen Orientierung beziehungsweise geschlechtlichen Identität befragt. Die Ergebnisse belegen, dass Trans-, Bi- und Homophobie am Arbeitsplatz nach wie vor vorhanden sind. Fast jede*r Vierte (23 Prozent) der im Öffentlichen Dienst beschäftigten Befragten gibt an, in der Vergangenheit bereits Diskriminierungserfahrungen am Arbeitsplatz gemacht zu haben. In der freien Wirtschaft berichtet sogar jede*r Dritte (32 Prozent) über entsprechende Erfahrungen.

Vergleicht man dies mit den Ergebnissen anderer Studien, zeigt sich jedoch, dass es sich hierbei nicht um ein spezifisch brandenburgisches Problem handelt. In Baden-Württemberg berichten beispielsweise 30 Prozent der im Öffentlichen Dienst beschäftigten Befragten und 27 Prozent der in der freien Wirtschaft Tätigen von negativen Erfahrungen am Arbeitsplatz aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität.50 Dabei beginnt Diskriminierung bereits während der Bewerbungsphase im Rahmen von Stellenbesetzungen: Mehr als jede*r dritte Diskriminierungsbetroffene im Öffentlichen Dienst gibt an, aufgrund der Zugehörigkeit zu LSBTTI*-Personen eine Stelle gar nicht erst bekommen zu haben. In der Privatwirtschaft betrifft dies sogar 46 Prozent der Befragten51.

Auch Ausbildungszeiten sind nicht frei von Vorurteilen und Benachteiligungen: 28 Prozent derjenigen, die im Öffentlichen Dienst Diskriminierungserfahrungen gemacht haben, machten diese bereits während der Ausbildung. In der freien Wirtschaft waren es 41 Prozent. Während in Brandenburg in der freien Wirtschaft Trans*-Personen und lesbische Frauen mit 43 Prozent beziehungsweise 36 Prozent nach eigener Auskunft am häufigsten Opfer von Diskriminierung am Arbeitsplatz wurden, äußerten im Öffentlichen Dienst vor allem schwule Männer (24 Prozent) entsprechende Erfahrungen.52 Als die häufigsten Diskriminierungsformen am Arbeitsplatz werden das Nicht-Ernstnehmen der eigenen sexuellen Orientierung beziehungsweise geschlechtlichen Identität (83 Prozent bzw. 81 Prozent der Betroffenen)53 sowie Mobbing in Form von Lästern (91 Prozent bzw. 75 Prozent) und unangenehme Witze zu Lasten der Befragten genannt. Dies deckt sich mit Erfahrungen von LSBTTI*-Personen in RheinlandPfalz und Baden-Württemberg. Hier stellten diese Formen der Diskriminierung ebenfalls die am häufigsten genannten negativen Reaktionen am Arbeits- oder Ausbildungsplatz dar.54 In der Privatwirtschaft Brandenburgs berichten die Befragten zudem vergleichsweise häufig (65 Prozent) von Ausgrenzung im Kollegenkreis. Knapp die Hälfte (48 Prozent bzw. 45 Prozent) der Befragten sieht sich in ihrer beruflichen Weiterentwicklung unzureichend gefördert. 43 beziehungsweise 36 Prozent geben an, aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu LSBTTI*-Personen eine Stelle nicht bekommen zu haben. Eine Person berichtet konkret davon, ihres Dienstpostens enthoben und auf eine andere Stelle versetzt worden zu sein, da der Vorgesetzte nach dem Outing nicht mehr weiter mit ihr zusammenarbeiten wollte.

Trans*-Menschen sind dabei in besonderem Maße von Diskriminierung am Arbeitsplatz betroffen. So berichten 38 Prozent bzw. 30 Prozent davon, nicht in ihrem gewünschten Geschlecht angesprochen zu werden oder sehen sich in der freien Wirtschaft (31 Prozent) gar gezwungen, im früheren Geschlecht weiterzuarbeiten, um ihren Arbeitsplatz nicht zu verlieren. Fast jede*r fünfte Trans*-Person wird der Zugang zur Toilette des neuen Geschlechts nach eigenen Angaben verweigert.

Auch wenn sowohl im Öffentlichen Dienst als auch in der freien Wirtschaft vielfach ähnliche Diskriminierungsszenarien auftreten, erscheinen die Schilderungen von in der freien Wirtschaft tätigen Befragten im Detail besonders eklatant: Mehr als jede*r Vierte (26 Prozent) mit Diskriminierungserfahrung 28 berichtet hier von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz und fast jede*r Zehnte (9 Prozent) gibt an, am Arbeitsplatz bereits Opfer von sexueller Gewalt geworden zu sein. Sechs Prozent der Betroffenen berichten sogar von körperlichen Angriffen in Form von Schlägen und Tritten am Arbeitsplatz. Aber auch unterhalb der Schwelle von unmittelbaren sexuellen und körperlichen Angriffen zeigen sich in der freien Wirtschaft deutlichere Diskriminierungstendenzen. Fast ein Viertel (23 Prozent) berichtet davon, dass aufgrund der sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität der Kontakt zu Kund*innen und Klient*innen untersagt wurde. Jede*r Dritte (30 Prozent) hat nach eigener Aussage aufgrund von Benachteiligung, Ablehnung und Ausgrenzung bereits einmal gekündigt und 14 Prozent wurde bereits gekündigt. Eine Person berichtete davon, gegen ihren Willen gegenüber Kund*innen geoutet worden zu sein.

Vor diesem Hintergrund scheint es aus Sicht der Betroffenen nur plausibel, dass knapp die Hälfte (48 Prozent) der in der freien Wirtschaft tätigen Befragten sich zumindest gegenüber einem Teil der Mitauszubildenden, Kolleg*innen und Vorgesetzten gar nicht erst geoutet haben. In der Folge lässt dies zumindest vermuten, dass die hier vorliegenden Werte daher auch nicht das ganze Ausmaß an Homound Transphobie am Arbeitsplatz abbilden, da die eigene sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität von den Befragten vielfach aus Angst vor Diskriminierung gar nicht erst sichtbar gemacht und thematisiert wird.

Positiv berichtet dagegen über die Hälfte der Betroffenen (56 Prozent), bei Diskriminierung Unterstützung von Kolleg*innen, Mitauszubildenden oder Vorgesetzten erfahren zu haben. Im Öffentlichen Dienst liegt die Unterstützung durch das Arbeitsumfeld mit 72 Prozent sogar noch deutlich höher.

Offene Antworten zur Frage " Haben Sie andere als die in der Frage aufgeführten negativen Reaktionen aufgrund Ihrer sexuellen Identität bzw. Zugehörigkeit zu TTI*-Menschen an Ihrem Arbeits- oder Ausbildungsplatz erfahren?"

 


48 Vgl. Lebenssituation von LSBTTIQ-Menschen in Baden-Württemberg, S. 43.
49 Vgl. bspw. Out im Office?!, S. 13 oder Franzen, Jannik; Sauer, Arn (2010): Benachteiligung von Trans*Personen, insbesondere im Arbeitsleben. Hg. v. Antidiskriminierungsstelle des Bundes. URL: http://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Downloads/DE/publikationen/Expertisen/Expertise_Benachteiligung_von_Trans_personen.pdf?__blob=publicationFile&v=2
50 Vgl. Lebenssituation von LSBTTIQ-Menschen in Baden-Württemberg, S. 44.
51 Notabene: Hier werden subjektive Diskriminierungserfahrungen berichtet, denen nicht zwangsläufig immer Diskriminierungshandlungen oder Diskriminierungsintentionen entsprechen müssen.
52 Da die Fallzahlen für Bisexuelle und Trans*-Personen im Öffentlichen Dienst zu gering für eine Prozentuierung sind, wurde an dieser Stelle auf eine dezidierte Darstellung dieser Subgruppen verzichtet.
53 Die aufeinander folgenden Prozentzahlen beschreiben jeweils zuerst die Negativerfahrungen in der freien Wirtschaft und dann die Werte für den Öffentlichen Dienst.
54 Vgl. Lebenssituation von LSBTTIQ-Menschen in Baden-Württemberg, S. 44 sowie Lebenssituation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgender und Intersexuellen in Rheinland-Pfalz, S. 56.

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