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Queeres Brandenburg
Landeskoordinierungsstelle
Wir gewinnen den Kampf um Vielfalt und Gleichstellung nicht in den Metropolen,
sondern in den Dörfern und Städten Brandenburgs.
 

6.4 Gesundheit und Pflege

Im Alter erhalten die Lebensbereiche Gesundheit und Pflege eine zunehmende Bedeutung. Neben einer hochwertigen gesundheitlichen Versorgung sollte dabei stets auch der respektvolle Umgang mit den Patient*innen im Fokus stehen. Im Rahmen der Untersuchung wurden die Teilnehmer*innen nach ihren Diskriminierungserfahrungen im medizinischen und therapeutischen Bereich befragt. Grundsätzlich haben drei Viertel der befragten LSBTTIQ* (77 Prozent) das Gefühl, dass ihre sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität keinerlei ersichtliche Bedeutung im Rahmen der Behandlung hatte. Angesichts der ansonsten berichteten Diskriminierungserfahrungen ist bemerkenswert, dass sich neun von zehn Befragten vom pflegerischen beziehungsweise therapeutischen Personal voll und ganz oder weitgehend respektvoll behandelt fühlt. Rund drei Viertel der Befragten (74 Prozent) berichten von einem selbstverständlichen Umgang mit ihren Lebenspartner*innen.

Einige Betroffene berichten jedoch auch von ignorantem Verhalten gegenüber ihrer sexuellen Orientierung beziehungsweise geschlechtlichen Identität und Unsicherheiten auf Seiten des Fachpersonals im Umgang damit. Regionale Unterschiede zwischen Stadt und Land in Brandenburg konnten nicht festgestellt werden.

Die deutliche Ausnahme zu den positiven Befunden bilden in diesem Zusammenhang Trans*-Personen: In dieser Gruppe empfinden lediglich 73 Prozent den Umgang mit dem medizinischen und therapeutischen Personal entsprechend respektvoll und nur jede*r Zweite (57 Prozent) hat das Gefühl, dass die eigene geschlechtliche Identität keinerlei ersichtliche Bedeutung im Rahmen der Behandlung spielt. Diese Beobachtung spiegelt sich auch in weiteren Aspekten wieder: So sieht sich knapp jede zweite Trans*-Person (48 Prozent) unangenehmen Fragen zur eigenen geschlechtlichen Identität ausgesetzt und 43 Prozent berichten von einer expliziten Pathologisierung der geschlechtlichen Identität. Auf weitere Formen von Diskriminierung angesprochen, berichten Betroffene davon, in Wartezimmersituationen, mit dem falschen Geschlecht aufgerufen zu werden oder beispielsweise als Transfrau in der Behandlungssituation weiterhin als männlich angesehen zu werden.

Der Blick in andere Bundesländer zeigt, dass es sich hierbei keineswegs um einen brandenburgischen Sonderfall handelt. Auch in Rheinland-Pfalz fühlten sich vor allem Trans*-Menschen im Rahmen von medizinischen Konsultationen diskriminiert.55 Im Rahmen von Beratungen, die explizit im Zusammenhang mit der sexuellen oder geschlechtlichen Identität stehen und häufig von entsprechend versierten und sensibilisierten Fachleuten durchgeführt werden, fühlten sich die Mehrheit (63 Prozent) der Trans*- Personen in Brandenburg dagegen kompetent und informiert beraten.

Die Teilnehmer*innen wurden auch zu ihren Erfahrungen mit Pflege-, Wohn- und Betreuungsangeboten befragt. Rein quantitativ hatte nur eine Minderheit Erfahrungen in diesem Bereich vorzuweisen:

Insgesamt geben acht Prozent der Befragten an, auf besondere Unterstützung angewiesen zu sein, davon fünf Prozent aufgrund einer schweren Erkrankung, zwei Prozent wegen einer Behinderung und ein Prozent aufgrund des Alters.

Von den Befragten, die Erfahrungen mit Pflege-, Wohn- und Betreuungsangeboten gemacht haben, fühlt sich ebenfalls eine überwiegende Mehrheit von 90 Prozent respektvoll vom Fachpersonal behandelt. Über drei Viertel der Befragten geben zudem an, dass im täglichen Umgang die eigene sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität keine besondere Rolle spiele. Gleichzeitig hat aber nur jede*r Dritte (31 Prozent) den Eindruck, dass das Fachpersonal in Brandenburg hinsichtlich sexueller und geschlechtlicher Vielfalt ausreichend geschult sei. Spezieller Pflege-, Wohn- und -Betreuungsangebote für LSBTTIQ* ist unter den Befragten nicht sonderlich bekannt. Gerade einmal 13 Prozent der Betroffenen in Brandenburg sind derartige Einrichtungen bekannt.56

Auch wenn sich LSBTTIQ* in Brandenburg in Bereichen der Pflege und Gesundheit generell respektvoll behandelt fühlen, zeigen die Ergebnisse, dass auf Seiten des medizinisch-therapeutischen beziehungsweise pflegerischen Personals häufig noch Defizite im Umgang mit nicht heteronormativen und zweigeschlechtlichen Lebensweisen bestehen. Dies gilt auch und vor allem für den Umgang mit Trans*-Personen. Vor allem diese Gruppe innerhalb der LSBTTIQ*-Community fühlt sich in medizinisch-therapeutischen Einrichtungen überproportional häufig diskriminiert. Nachfolgend werden offene Antworten der Befragten zum Thema Pflege sowie medizinischer und therapeutischer Behandlung widergegeben.

  • "Das ganze amtliche Procedere basierend auf dem völlig veralteten TSG57 ist demütigend und kostenintensiv. Nicht jeder, der keine Prozesskostenhilfe bekommt, kann es sich auch leisten, über 1000 € für den Amtsakt aus eigener Tasche zu bezahlen."
  • "Ein Oberarzt hatte offensichtlich ein Problem mit unserer Partnerschaft und wurde im Gespräch immer abfälliger/unsensibler"
  • "Ich oute mich nur vor Ärzten in Berlin, wenn es sich ermöglichen lässt. Aber auch dort sind z.B. Formulare nie für homosexuelle Lebenspartnerschaften gemacht."
  • "In Berlin ist es sehr schwer, als transsexueller Mensch qualifizierte Hilfe zu bekommen. In Berlin gibt es eigentlich nur einen Arzt, der offen mit transsexuellen Menschen umgeht. […] Wenn man irgendwelche gesundheitlichen Probleme hat, kann es transsexuellen Menschen schnell passieren, dass es auf psychische Ursachen reduziert wird. "Man vertrage die Hormone nicht o.ä." Ärzte glauben, man sei irgendwie weiterhin insgeheim somatisch männlich. Beispielsweise wurde mir gesagt, es gäbe kein Brustkrebsrisiko für Transsexuelle, weil sie ja eigentlich männlich seien."
  • "Hausärzte / Allgemeinmediziner haben oft noch die Meinung, man müsste zum Psychiater - dabei sind wir nicht psychisch krank. Ein Hausarzt sollte einen direkt zu einem Endokrinologen überweisen können. Nur bei Bedarf macht Psychotherapie Sinn, aber nicht verpflichtend (wie es derzeit auf Grund der MdK-Vorgaben im Blick auf die GaOp58 noch ist - sonst zahlt die Krankenkasse nicht)"

Offene Antworten zur Frage "Haben Sie andere negative Erfahrungen im medizinischen oder therapeutischen Bereich gemacht, die in der vorangegangenen Frage nicht aufgeführt waren? Falls ja, beschreiben Sie diese bitte kurz."

 


55 Vgl. Lebenssituation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgender und Intersexuellen in Rheinland-Pfalz, S. 67.
56 Mit ähnlichen Informationsherausforderungen sehen sich auch andere Bundesländer konfrontiert. So lag das Wissen um lsbttiq*-spezifische Pflege-, Wohn- und Betreuungsangebote etwa in der baden-württembergischen Befragung bei acht Prozent der Betroffenen. Vgl. Lebenssituation von LSBTTIQ-Menschen in Baden-Württemberg, S. 35.
57 Gemeint ist das Transsexuellengesetz.
58 Bei dem Zitat handelt es sich um eine Stellungnahme zu den Vorgaben des Medizinischen Dienstes (MdK) der Krankenversicherung bei geschlechtsangleichenden Operationen (GaOp)

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