Dieses Literaturverzeichnis listet allein die in der Studie indirekt und direkt zitierten Quellen zu queeren Themen auf. Natürlich gibt es darüber hinaus noch zahlreiche weitere Studien, Umfragen und Broschüren über LSBTTIQ*. Um einen umfassenderen Überblick über sexuelle und geschlechtliche Vielfalt sowie Diskriminierungserlebnisse und Einstellungen zu LSBTTIQ* in Deutschland zu erlangen, sind beispielsweise die Online-Auftritte der Antidiskriminierungsstelle des Bundes als auch des Lesben- und Schwulenverbandes Deutschland zu empfehlen.72

Agentur der Europäischen Union für Grundrechte FRA (2014): EU LGBT Survey. European Union Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender Survey. Results at a Glance. Hg. v. Publication Office of the European Union. Luxemburg.

Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (2013): LGBT-Erhebung in der EU. Erhebung unter Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender-Personen in der Europäischen Union. URL: http://fra.europa.eu/sites/default/files/eu-lgbt-survey-results-at-a-glance_de.pdf

Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2017): "Out im Office?!" Erste Ergebnisse zur Arbeitssituation lesbischer, schwuler, bisexueller und Trans*-Beschäftigter in Deutschland. URL: http://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Downloads/DE/publikationen/Umfragen/20170719_Umfrageergebnisse_Out_im_Office.pdf?__blob=publicationFile&v=2

Change Centre Foundation (2015): Queeres Deutschland 2015. Zwischen Wertschätzung und Vorbehalten. Meerbusch.

Dalia Research (2016): LGBT Population in Europe. URL: https://daliaresearch.com/wp-content/uploads/2016/11/2016-12-10_pressrel_LGBT.pdf

Diekmann, Andreas (2005): Empirische Sozialforschung. Grundlagen, Methoden, Anwendungen. 14. Auflage, Rowohlt Verlag.

Franzen, Jannik; Sauer, Arn (2010): Benachteiligung von Trans*Personen, insbesondere im Arbeitsleben. Hg. v. Antidiskriminierungsstelle des Bundes. URL: http://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Downloads/DE/publikationen/Expertisen/Expertise_Benachteiligung_von_Trans_personen.pdf?__blob=publicationFile&v=2

Geißler, Holger, Drösser, Christoph (2017): Wir Deutschen & die Liebe: Wie wir lieben. Was wir lieben. Was uns erregt. Hamburg.

Kalkum, Dorina; Otto, Magdalena (2017): Diskriminierungserfahrungen in Deutschland anhand der sexuellen Identität. Ergebnisse einer quantitativen Betroffenenbefragung und qualitativer Interviews. Hg. v. Antidiskriminierungsstelle des Bundes. URL: http://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Downloads/DE/publikationen/Expertisen/Expertise_Diskrimerfahrungen_in_DE_anhand_der_sex_Identitaet.pdf?__blob=publicationFile&v=4

Krell, Claudia; Oldermeier, Kerstin (2015): Coming-out – und dann…?! Ein Forschungsprojekt des Deutschen Jugendinstituts zur Lebenssituation von lesbischen, schwulen, bisexuellen und trans*Jugendlichen und jungen Erwachsenen. URL: http://www.dji.de/fileadmin/user_upload/bibs2015/DJI_Broschuere_ComingOut.pdf

Küpper, Beate; Klocke, Ulrich; Hoffmann, Lena-Carlotta (2017): Einstellungen gegenüber lesbischen, schwulen und bisexuellen Menschen in Deutschland. Ergebnisse einer bevölkerungsrepräsentativen Umfrage. Hg. v. Antidiskriminierungsstelle des Bundes. URL: http://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Downloads/DE/publikationen/Umfragen/Umfrage_Einstellungen_geg_lesb_schwulen_und_bisex_Menschen_DE.pdf?__blob=publicationFile&v=2

Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie des Landes Brandenburg (2016): Bericht „Daten, Fakten und Entwicklung zu Migration und Integration“. URL: http://www.masgf.brandenburg.de/cms/detail.php/bb1.c.447541.de

Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren Baden-Württemberg (2014): Onlinebefragung zur Lebenssituation von LSBTTIQ-Menschen in Baden-Württemberg. URL: https://sozialministerium.badenwuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/msm/intern/downloads/Downloads_Offenheit_und_Akzeptanz/Onlinebefragung_Aktionsplan_Akzeptanz_2014.pdf

Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen des Landes Rheinland-Pfalz (2013): Lebenssituation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgender und Intersexuellen in Rheinland-Pfalz. Auswertungsbericht zur Online-Befragung von Juni bis Oktober 2013. URL: mifkjf.rlp.de/fileadmin/mifkjf/Familie/Gleichgeschlechtliche_Lebensweisen/RLP_unterm_Regenbogen/Langfassung.pdf

Office for National Statistics (2017): Sexual identity, UK: 2016. Experimental Official Statistics on sexual identity in the UK in 2016 by region, sex, age, marital status, ethnicity and National Statistics Socio-economic Classification. URL: https://www.ons.gov.uk/peoplepopulationandcommunity/culturalidentity/sexuality/bulletins/sexualidentityuk/2016/pdf

 


72 Auf folgenden Seiten gibt es ein breites Materialangebot zum Download: http://www.antidiskriminierungsstelle.de/SiteGlobals/Forms/Publikationssuche/Publikationssuche_Formular.html?nn=6560636&cl2LanguageEnts_Themenbereich=geschlecht sowie http://www.antidiskriminierungsstelle.de/SiteGlobals/Forms/Publikationssuche/Publikationssuche_Formular.html?nn=6560636&cl2LanguageEnts_Themenbereich=sexuelleidentitaet und https://www.lsvd.de/homosexualitaet/buecher-broschueren-usw.html als auch https://www.lsvd.de/lebensformen/lsvd-familienseiten/beratungsfuehrer-regenbogenfamilien/literaturtipps.html

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Das Glossar entstand in Anlehnung an die Begriffsdefinitionen des AndersARTiG - LesBiSchwules Aktionsbündnis Land Brandenburg e.V., welche hier selektiert und teilweise gekürzt dargestellt sind.71

 

Asexualität, asexuell

Menschen, die keine oder eine sehr geringe sexuelle Anziehung zu anderen Menschen verspüren und wenig oder kein Verlangen nach sexueller Interaktion haben. Von vielen deutschen Organisationen wird das "A" für „Asexuelle“ bereits in die Abkürzung "LSBTTIQ*" (zu LSBTTIAQ*) aufgenommen, um deutlich zu machen, dass es viele asexuelle Menschen gibt und diese ebenfalls wahrgenommen werden sollten. Es ist davon auszugehen, dass der Begriff Asexualität genauso wie Transgeschlechtlichkeit in der Bevölkerung recht unbekannt ist oder falsch gedeutet wird. So bezeichnet Asexualität nicht die sexuelle Abstinenz, sondern das fehlende Verlangen nach sexueller Interaktion.

 

Bisexualität, bisexuell

Sexuelle Orientierung, die sich in ihrem Begehren in einem Zweigeschlechtersystem auf beide Geschlechter bezieht, also auf männlich und weiblich. Bisexuelle sind Männer und Frauen, die sich in Männer und Frauen verlieben und diese begehren können.

 

cisgeschlechtlich

Cis – dt.: „diesseits“. Bezeichnung für Menschen, die sich dem Geschlecht zugehörig fühlen, das ihnen bei Geburt zugewiesen wurde.

 

Coming-out

Englisch für „herauskommen“. Coming-out heißt der Prozess, in dem einer Person ihre sexuelle Orientierung oder ihre geschlechtliche Identität bewusst wird (= inneres Coming-out) und er*sie diese ggf. ihrem*seinem sozialen Umfeld mitteilt (= äußeres Coming-out). Ein Coming-out ist bedingt durch die heteronormative Struktur von Gesellschaft. Den Weg des Coming-out muss nur jemand gehen, der*die nicht in die gesellschaftlichen Normen zu Geschlechtskörper, Geschlechtsidentität und sexueller Orientierung passt.

 

CSD

abkürzend für Christopher-Street-Day. CSDs können Demonstrationen, Paraden oder Straßenfeste von LSBTTIQ*-Menschen umfassen, auf denen für die Akzeptanz geschlechtlicher und sexueller Vielfalt geworben wird. Seinen geschichtlichen Ursprung hat der CSD am 28. Juni 1969 in der Christopher Street in New York, als sich Trans*- Menschen, Lesben, Bisexuelle und Schwule aktiv gegen willkürliche Polizeirazzien im Szene-Lokal Stonewall zur Wehr setzten.

 

eingetragene Lebenspartnerschaft

Seit 1. August 2001 bestehende Form der rechtlichen Anerkennung lesbischer und schwuler Paare. Obwohl im Alltag häufig als „HomoEhe“ bezeichnet, handelt es sich bei der Eingetragenen Lebenspartnerschaft nicht um „Ehe“ im rechtlichen Sinne, da diese trotz vieler rechtlicher Angleichungen in den vergangenen Jahren nicht mit der „Ehe“ gleichgestellt war (z. B. im Adoptionsrecht). Erst Mitte 2017 stimmte der Deutsche Bundestag für eine Öffnung der Ehe für homosexuelle Menschen und räumte ihnen damit dieselben Rechte wie heterosexuellen Ehepaaren ein.

 

gender

Begriff, der in der zweiten Hälfe des 20. Jhds. entstanden und starke Verbreitung gefunden hat. Macht deutlich, dass der Geschlechtskörper nicht festlegt, über welche Vorlieben, Fähigkeiten und Eigenschaften die Person verfügt. Er ermöglicht in besonderer Art und Weise, Geschlecht in seiner sozialkulturellen Dimension zu untersuchen.

 

genderqueer

Selbstbezeichnung für Menschen, die sich weder als Mann noch als Frau fühlen oder sich als weiblich und männlich identifizieren oder sich ganz jenseits des Zweigeschlechtersystems verorten oder/und deren Geschlechtsidentität fluide ist.

 

Geschlecht

Man unterscheidet zwischen der Ebene der Geschlechtsidentität, der Ebene des geschlechtlichen Ausdrucks und der Ebene des Geschlechtskörpers. Die drei Ebenen haben keine zwingende Verknüpfung miteinander. Als welches Geschlecht ich mich fühle (= Geschlechtsidentität) wird nicht bestimmt durch die mir gegebenen körperlichen Merkmale (= Geschlechtskörper: z.B. Chromosomensatz, Hormone, Organe). Ebenso besteht keine zwingende Verbindung zwischen der Geschlechtsidentität einer Person und ihren Vorlieben, Fähigkeiten, ihrer Art zu reden oder sich zu bewegen, sich zu kleiden oder sonstigen Formen und Möglichkeiten sich geschlechtlich auszudrücken (= Geschlechtsausdruck). Geschlechtsidentität, Geschlechtskörper und Geschlechtsausdruck sind nicht zwingend verknüpft mit dem Geburtsgeschlecht.

 

geschlechtergerechte Schreibweisen

Das Sprechen von Menschen als „Studenten, Politikern, Sportlern, Ärzten“ etc. stammt aus einer Zeit, in der Frauen noch nicht studieren durften, Politik nur von Männern gemacht wurde, es sich für Frauen nicht gehörte, sich aktiv sportlich zu betätigen, Frauen nicht Ärzte werden konnten und sie auf den Bereich von Familie und Heim beschränkt waren. Heute kann (fast) jede*r sich und seine Lebenswünsche verwirklichen. Die Verwendung des Unterstrichs „_“ (Gender gap) oder des „*“ (Gender Star) möchten deutlich machen, dass es mehr als ein Geschlecht (Männer) und sogar mehr als nur zwei Geschlechter (Männer und Frauen) gibt.

 

Heteronormativität, heteronormativ

beschreibt eine Gesellschaftsstruktur, in der davon ausgegangen wird und in der es als das ‚Normale‘ gilt, dass es lediglich zwei Geschlechter gibt, deren Begehren sich zwangsweise aufeinander bezieht und deren Geschlechtsausdruck entsprechend ‚männlich‘ (für Männer) bzw. ‚weiblich‘ (für Frauen) auszufallen hat.

 

Heterosexualität, heterosexuell

Eine sexuelle Orientierung, die sich in ihrem Begehren in einem Zweigeschlechtersystem auf das andere Geschlecht bezieht. Heterosexuelle sind Männer/Jungs, die sich in Frauen/Mädchen verlieben und diese begehren und Frauen/Mädchen, die sich in Männer/Jungs verlieben und diese begehren.

 

Homophobie

Einstellungen, Verhalten oder Aussagen, die Lesben oder Schwule bzw. Menschen, die für lesbisch oder schwul gehalten werden, abwerten.

 

IDAHO(T)/IDAHIT

Internationaler Tag gegen Homo- und Trans- bzw. Interphobie, der am 17. Mai jeden Jahres gefeiert wird.

 

intergeschlechtlich, inter*

Intergeschlechtliche Menschen haben Körper, die sich in einem Zweigeschlechtersystem hinsichtlich ihrer chromosomalen, hormonalen 43 oder anatomischen Merkmale nicht eindeutig in eine der beiden gesellschaftlich anerkannten geschlechtlichen Kategorien „Mann“ oder „Frau“ einordnen lassen. Wie alle anderen Menschen können auch Inter* sich als Männer, als Frauen oder anders erleben und definieren. Das Sternchen * steht in diesem Fall für die verschiedenen Identifizierungsmöglichkeiten und Begrifflichkeiten für inter* Menschen: * kann stehen für „-geschlechtlich", „-sexuell", „-sex" etc..

 

 

Interphobie

Einstellungen, Verhalten oder Aussagen, die Inter* bzw. Menschen, die für inter* gehalten werden, abwerten.

 

Intersexualität, intersexuell

In Recht und Medizin gängiger Begriff für Intergeschlechtlichkeit. Manche Inter*menschen verwenden intersexuell auch für sich selbst.

 

Lesbe, lesbisch

Eine sexuelle Orientierung, die in einem Zweigeschlechtersystem das gegenseitige Lieben und Begehren von Frauen/Mädchen beschreibt.

 

LSBTTIQ*, engl. LGBTIQ

abkürzend für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Transgender, Inter* und queere Menschen (engl. Lesbians, Gays, Bisexuals, Trans, Inter and Queers). Das * bei LSBTTIQ* deutet darauf hin, dass auch in der LSBTTIQ*-Community kein abschließender Konsens darüber besteht, wer – und damit welche weiteren Buchstaben – zur Community zu zählen sind. Das * steht für weitere mögliche Gruppen wie z.B. ‚A‘ für Asexuelle.

 

Pansexualität, pansexuell

Eine sexuelle Orientierung, die aus dem Zweigeschlechtersystem ausbricht und sich in ihrem Begehren auf alle Geschlechter bezieht, also nicht nur auf Menschen, die sich als Männer oder Frauen identifizieren.

 

queer

Englisch für „schräg, seltsam“ und ursprünglich im englischsprachigen Raum Schimpfwort für LSBTTIQ* und für solche, die dafür gehalten wurden. Mittlerweile hat sich die LSBTTIQ*-Bewegung den Begriff positiv angeeignet und verwendet ihn 1) als Gegenentwurf zur Kategorisierung von Menschen in Bezug auf Geschlecht, Begehren und Beziehungsform (z.B. transgeschlechtlich, lesbisch oder monogam) und 2) wird „queer“ des öfteren als Sammelbezeichnung für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Trans*menschen verwendet.

 

Regenbogenfamilie

Familien, in denen mindestens ein Elternteil nicht heterosexuell oder cisgeschlechtlich ist.

 

Schwuler, schwul

Eine sexuelle Orientierung, die in einem Zweigeschlechtersystem das gegenseitige Lieben und Begehren von Männern/Jungs beschreibt.

 

sexuelle Identität

Begriff, der entweder als Synonym für sexuelle Orientierung verwendet wird oder als ein Konzept, das darüberhinausgehende Dimensionen einschließt (z.B. Geschlechterrolle oder Geschlechtsausdruck).

 

sexuelle Orientierung

Sexuelle Orientierung einer Person sagt etwas darüber aus, in welche Menschen sie sich verliebt und sexuell anziehend findet. Man kann die sexuelle Orientierung einer Person weder ansehen, noch kann man für andere Personen festmachen, welche sexuelle Orientierung sie haben. Darüber hinaus kann man sich für eine sexuelle Orientierung nicht entscheiden.

 

Transgender

Englischer Begriff, äquivalent zu transgeschlechtlich.

 

transgeschlechtlich, trans*

Beschreibt in einem Zweigeschlechtersystem Menschen, deren Geschlechtsidentität nicht mit ihrem Geburtsgeschlecht übereinstimmt. 44 Dieses umfasst Menschen, die sich ‚gänzlich‘ mit ‚dem anderen‘ Geschlecht identifizieren als auch Menschen, die sich weder als Mann noch als Frau fühlen. Das Sternchen * steht in diesem Fall für die verschiedenen Identifizierungsmöglichkeiten und Begrifflichkeiten für trans* Menschen: * = -ident, -sexuell, -männlich/-weiblich, -frau/- mann, -gender, etc..

 

Transition

Bezeichnung in einem Zweigeschlechtersystem für den Prozess, den manche trans* Menschen durchlaufen, um ihr Geburtsgeschlecht an ihre tatsächliche Geschlechtsidentität anzugleichen. Dieser Prozess umfasst eine soziale Dimension (Verhalten und Einstellung von Familie, Freund*innen, Kolleg*innen und anderen gegenüber der trans* Person in Bezug auf seine*ihre Geschlechtsidentität), eine rechtliche Dimension (z.B. Änderung des Geschlechtseintrages und des Vornamens; Änderung wichtiger biographischer Dokumente) und eine körperliche Dimension (z.B. Bartentfernung/Bartwuchs, Brustwachstum/Einebnung des Oberkörpers, Körperfettumverteilung, Maskulinisierung/Feminisierung des Gesichts).

 

Transphobie

Einstellungen, Verhalten oder Aussagen, die Trans* bzw. Menschen, die für trans* gehalten werden, abwerten.

 

Transsexualität/-identität, transsexuell/transident

beschreibt in einem Zweigeschlechtersystem Menschen, deren Geschlechtsidentität nicht mit ihrem Geburtsgeschlecht übereinstimmt. Transsexuelle identifizieren sich eher mit ‚dem anderen‘ Geschlecht.

 


71 Vgl. AndersARTiG - LesBiSchwules Aktionsbündnis Land Brandenburg e.V.: Abkürzungen & Begriffe. URL: http://andersartig.info/index.php?article_id=117.

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Ein Ergebnis der aktuellen repräsentativen ADS-Befragung zur Einstellung der deutschen Bevölkerung gegenüber lesbischen, schwulen und bisexuellen Menschen in Deutschland lautet, dass sich 71 Prozent der Deutschen darüber freuen, dass die Republik noch vielfältiger und bunter wird.67 Gleichzeitig hat aber ein Drittel der brandenburgischen LSBTTIQ* in der vorliegenden Befragung das Gefühl, seine*ihre sexuelle Orientierung beziehungsweise geschlechtliche Identität nicht offen ausleben zu können. Rund die Hälfte der Befragten hat in den vergangenen fünf Jahren negative Erfahrungen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung beziehungsweise geschlechtlichen Identität machen müssen - seien es die gaffenden Blicke der Mitmenschen, das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden und/oder verbale Angriffe. Trans*-Personen sind besonders häufig von derartigen negativen Reaktionen betroffen. Daher sind zielgruppenspezifische Beratungsangebote der LSBTTIQ*-Community wie Comingout-Beratung und (Opfer-)Beratung in Fällen von Benachteiligung, Ablehnung und Ausgrenzung besonders wichtig.

Auch hat sich in diesem Rahmen gezeigt, dass die Anzeigebereitschaft für homo-, bi- und transphobe Straftaten auf sehr niedrigem Niveau und das Vertrauen in die Polizei gering ausgeprägt sind. Und das, obwohl ein Großteil der berichteten tatsächlichen Erfahrungen mit der Polizei positiv ist. Positiv ist ebenso festzuhalten, dass in brandenburgischen Bildungseinrichtungen, den Schulen und Hochschulen des Landes, deutlich seltener von Diskriminierung und Benachteiligung berichtet wird als in den Vergleichsbefragungen in Baden-Württemberg.68

Diese Ergebnisse sind direkt in die Erarbeitung des Aktionsplans Queeres Brandenburg, die parallel zur Befragung erarbeitet wurde, eingeflossen und wurden mit den zuständigen Ressorts, Verbänden und Expert*innen diskutiert. Natürlich gibt es Themen, die über die vorliegende Studie hinaus erforscht werden sollten - beispielsweise bedürfte es einer eigenen Befragung älterer LSBTTIQ*, um über die geringen Fallzahlen in dieser Befragung hinaus mehr über deren Erfahrungen in Wohn- und Pflegeeinrichtungen zu erfahren. Auch über die Lebenssituation und Herausforderungen von Inter*-Personen sowie Asexuellen ist noch relativ wenig bekannt.69

Zum Ende der Befragung über die eigenen Erfahrungen der LSBTTIQ* in Brandenburg hatten die Teilnehmer*innen noch die Möglichkeit, Maßnahmenempfehlungen für ein toleranteres Brandenburg zu formulieren. Drei Ideen konnte jede*r aufschreiben und nach Priorität ordnen.

Unter den Vorschlägen, die der höchsten Priorität zugeordnet wurden, tauchte immer wieder der Wunsch nach mehr „öffentlicher Sichtbarkeit" auf. Besonders der Aspekt „Aufklärung in der Schule" wurde sehr häufig genannt. Hier hat das Land Brandenburg mit der Überarbeitung des Rahmenlehrplans, der parallel zur Befragung im Schuljahr 2017/2018 wirksam wird, einen bedeutenden Schritt getan. Auch was den Bereich Familie betrifft, gaben viele Befragte die "Ehe für alle" an, ohne zu wissen, dass diese tatsächlich einige Wochen später bundesweit auf den Weg gebracht werden würde.

Daneben ist vielen die „Stärkung von Regenbogenfamilien" wichtig. Für Trans* ist eine „bessere medizinische Versorgung" entscheidend. Zudem gibt es viele Vorschläge, die Selbstbestimmung von LSBTTIQ* in Brandenburg zu stärken. Genannt werden eine „konstante Förderung" von Beratungsstellen, generell „mehr Beratungsstellen/-angebote auch in eher 'ländlicheren' Gegenden" sowie das Erhöhen der „Sichtbarkeit von Angeboten für LSBTTIQ*".

Darüber hinaus wird auch der Wunsch nach „mehr Freizeitangeboten (Gruppen, Kultur etc.)" geäußert. All das sind Forderungen, die auch in den Handlungsempfehlungen der aktuellen Umfragen der Antidiskriminierungsstelle des Bundes auftauchen. Gerade Aufklärung, Sensibilisierung, die Erhöhung der Sichtbarkeit und die Verstetigung beziehungsweise der Ausbau von Beratungsstellen sowie die rechtliche Gleichstellung von LSBTTIQ* sind Mittel, Diskriminierung gegenüber queeren Menschen zu begegnen.70

 


 67 Vgl. Einstellungen gegenüber lesbischen, schwulen und bisexuellen Menschen in Deutschland, S. 130.
68 Vgl. Lebenssituation von LSBTTIQ-Menschen in Baden-Württemberg, S. 30.
69 So haben an der vorliegenden Studie nur zwei Inter* teilgenommen.
70 Vgl. Einstellungen gegenüber lesbischen, schwulen und bisexuellen Menschen in Deutschland, S. 162-167 und Diskriminierungserfahrungen in Deutschland anhand der sexuellen Identität, S. 109-117.

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Viele Studien zeigen, dass Lesben und Schwule, Bisexuelle, Trans*, Inter* und queere Menschen besonderen Diskriminierungen ausgesetzt sind - bis hin zu Gewaltsituationen. Das zeigt beispielsweise die 2017er-Erhebung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes sowie Studien der FRA, der Europäischen Agentur für Grundrechte.60 Für Brandenburg wurden im vorliegenden Fragebogen eine Reihe von Fragen zur Häufigkeit von Übergriffen auf LSBTTIQ*, die Anzeigequote bei der Polizei, Erfahrungen mit Polizei und Justiz sowie Hinderungsgründe bei der Anzeigenerstattung gestellt.

So hat jede*r sechste LSBTTIQ*-Befragte in Brandenburg nach eigenen Angaben innerhalb der vergangenen fünf Jahre Verbrechen oder Gewalt aufgrund der eigenen sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität erfahren, sei es physische, psychische oder sexuelle Gewalt. Damit liegt die Quote auf vergleichbarem Niveau mit den berichteten Übergriffen aus Baden-Württemberg, aber deutlich niedriger als unter den Befragten in Rheinland-Pfalz, was damit zusammenhängt, dass dort nicht nach den vergangenen fünf Jahren, sondern allgemeiner gefragt wurde.61

Unterschiede in der Anzahl der Angriffe im städtischen Raum versus auf dem Land sind nicht nennenswert. Ebenso wenig sind signifikante altersspezifische Unterschiede festzustellen – unter 30-Jährige werden gleichermaßen häufig beziehungsweise selten Opfer wie Mittvierziger oder Ältere. Dafür variieren die Zahlen stark zwischen Übergriffen aufgrund der sexuellen Orientierung versus aufgrund der geschlechtlichen Identität. Während lesbische, schwule und bisexuelle Befragte vergleichbar antworten – hier liegt die Gewaltexposition zwischen 13 Prozent und zehn Prozent der Befragten – ist jede*r zweite Trans* in den zurückliegenden fünf Jahren mit Verbrechen und Übergriffen auf die eigene Person konfrontiert gewesen. Hier ist ein hoher Handlungsbedarf in Brandenburg festzustellen, wie er auch in der rheinland-pfälzischen Befragung sichtbar wurde, wo 46 Prozent der Trans*-Befragten von Übergriffen berichteten.62 Warum in Baden-Württemberg mit 19 Prozent dagegen deutlich weniger Transsexuelle und Transgender nach eigenen Angaben Angriffen ausgesetzt waren, kann nicht dargestellt werden.63

Zur Bekämpfung homo-, bi- und transphober Gewaltverbrechen ist es besonders wichtig, dass entsprechende Vorfälle den Polizei- und Justizbehörden im Land gemeldet werden. Bei der Bevölkerungsgruppe der LSBTTIQ* ist die Anzeigebereitschaft allerdings sehr schwach ausgeprägt. Dies unterstreichen die in der Online-Befragung erhobenen Zahlen – und zeigen auch auf, wo Hinderungsgründe liegen und welche Lösungen sich anbieten.

Zunächst zur Anzeigenquote selbst: Gut zwei Drittel (68 Prozent) derjenigen, die ein Verbrechen oder eine Gewalttat in den vergangenen fünf Jahren erlebt haben, haben diese weder an die Justiz noch der Polizei gemeldet, ein Großteil der berichteten Straftaten gegen LSBTTIQ* sind damit gar nicht erst zu ahnden gewesen. Die genaue Anzeigequote liegt bei 32 Prozent. Nur 19 Prozent der Befragten haben ihre Anzeige bei der Polizei abgegeben, in weiteren 13,5 Prozent der Fälle ist zusätzlich die Justiz eingeschaltet worden. Zum Vergleich: In der rheinland-pfälzischen LSBTTIQ*-Befragung lag die Anzeigequote ebenfalls niedrig, bei knapp unter 25 Prozent, in Baden-Württemberg bei 35 Prozent.64

Erneut sticht die Gruppe der Trans*-Personen als speziell zu adressierende Zielgruppe hervor – unter den befragten Trans* ist die Anzeigebereitschaft äußerst niedrig. Bei den offenen Antworten auf die Frage, welche Erfahrungen sie mit der Polizei gemacht haben, geben Transgender und Transsexuelle konkrete Beispiele von Diskriminierung, wie der folgende Ausschnitt zeigt.

  • "Bei der Polizei/Behörden werden Straftaten, die gegen mich als transsexuelle Frau stattfinden, meistens zwar aufgenommen, aber nicht verfolgt. Man wird dann auch gerne an queere Organisationen vermittelt…"
  • "Beim Gerichtstermin zur Namensänderung wurde ich "begafft" vom Richter und dann kam eine Bemerkung: "ich sehe, es sitzt eine Frau vor mir"... - völlig überflüssiges Verfahren. Ich fand es entwürdigend."
  • "Ich habe oft erlebt, dass Polizei mit Schwulen oder Trans nicht klarkommen."
  • "Ich wurde von der Polizei nicht ernstgenommen als ich Anzeige wegen Körperverletzung erstatten wollte. Man hat mir dort gesagt, ich hätte durch mein Erscheinungsbild möglicherweise provoziert."
  • "Bei Anzeigenerstattung wegen homophober Beleidigung wurde mir erklärt, ich müsse ja nicht offen auftreten und hätte die Situation dadurch selbst verursacht."
  • "Strukturelle Formen von Gewalt gehören zum meinem täglichen "Programm", sehr massiv insbesondere bei Behörden, in Krankenhäusern, von Ärzt*innen, bei Gericht, seitens der Polizei (z.B. wurde eine Anzeige nach einem gewaltsamen Übergriff auf mich von dem Polizisten nicht aufgenommen und ich wurde allein zurückgelassen. Auch der Täter wurde nicht gesucht.)"
  • "Polizeiliche Ignoranz gegenüber Gewaltanwendung in meinem eigenen Restaurant."
  • "Bei öffentlichen Verkehrsmitteln bin ich bei bestimmten Personengruppen sehr vorsichtig und wechsele lieber das Abteil. Ich trage jetzt ein Pfefferspray bei mir."

Offene Antworten zur Frage "Haben Sie weitere Erfahrungen mit der Polizei/Justiz gemacht, die in der vorangegangenen Frage nicht aufgeführt waren?"

Die Gründe, die LSBTTIQ* in Brandenburg daran hindern, zur Polizei zu gehen, wurden im Fragebogen auch systematisch abgefragt. Zu den gewichtigsten Gründen, warum die betroffenen Befragten keine Anzeige erstattet haben, zählen praktische Erwägungen wie eine nachteilige Kosten-Nutzen-Rechnung beziehungsweise zu hoher Aufwand (92 Prozent der Befragten) bei der gleichzeitigen Sorge, die Ermittlungen würden nichts bringen (91 Prozent).

Zweitens liegt vielfach Angst vor persönlichen Konsequenzen vor, wie ein ungewolltes Coming-out (48 Prozent), erneute Repressalien durch die Täter*innen (52 Prozent) oder Scham aufgrund der erlittenen Tat (ebenfalls für 52 Prozent der Befragten, gerade auch bei der jüngsten Befragtengruppe, den unter 30-Jährigen mit 63 Prozent ein besonders häufiger Hinderungsgrund). Proaktive Zusicherung von Anonymität könnte helfen, diese Ängste zu nehmen.

Drittens hindern Wissenslücken und fehlende Informationen viele Betroffene an einer Anzeige: Gut die Hälfte der Befragten (52 Prozent insgesamt, im ländlichen Raum sogar 86 Prozent) gibt an, die Tat (vermeintlich) für strafrechtlich nicht relevant gehalten zu haben. Hier wäre eine verstärkte und zielgruppengerechte Aufklärung über persönliche Schutzrechte und Formen psychischer und physischer Gewalt gerade auch im Nahbereich angebracht. Des Weiteren geben 48 Prozent derjenigen, die keine Anzeige erstattet haben, als Hinderungsgrund an, dass ihnen keine geeignete Ansprechperson für Straftaten gegen LSBTTIQ* bekannt sei.65

Viertens besteht Misstrauen gegenüber der Polizei und Justiz selbst: Fast die Hälfte der Befragten (45 Prozent) befürchtete Diskriminierung durch die Polizei – mit 58 Prozent der Befragten überraschenderweise gerade in den größeren Städten besteht eine größere Sorge als auf dem Land (25 Prozent). Sogar 83 Prozent der Teilnehmer*innen hatten die Erwartung, von der Polizei nicht ernst genommen zu werden.

Gerade diese letztgenannten Hinderungsgründe sind für zukünftiges politisches, justizielles und polizeiliches Handeln besonders interessant. Kontrastieren wird diese Erwartungen von derjenigen, die keine Anzeige erstattet haben, doch überaus stark mit den real gemachten Aussagen der Gruppe, die Straftaten zur Anzeige gebracht und Erfahrungen bei der Bearbeitung ihres Falles bei der Brandenburgischen Polizei66 gemacht hat.

So stehen der Befürchtung, nicht ernst genommen zu werden (83 Prozent in der Gruppe der Nicht-Anzeigenden), eine gleich große Gruppe der Befragten mit Kontakt zur Polizei gegenüber, die den Eindruck hatten, ihre Erlebnisse seien dort von den Beamt*innen ernst genommen worden. Der Sorge, sogar durch die Polizei selbst diskriminiert zu werden, die von knapp der Hälfte der Befragten als Hinderungsgrund geäußert wurde, steht der Befund gegenüber, dass die Polizei die Fälle sachlich und kompetent bearbeitet habe (67 Prozent der Befragten mit angezeigter Straftat).

 


60 Vgl. Agentur der Europäischen Union für Grundrechte FRA (2014): EU LGBT Survey. European Union Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender Survey. Results at a Glance. Hg. v. Publication Office of the European Union. Luxemburg oder Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (2013): LGBT-Erhebung in der EU. Erhebung unter Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender-Personen in der Europäischen Union. URL: http://fra.europa.eu/sites/default/files/eu-lgbt-survey-results-at-a-glance_de.pdf und Diskriminierungserfahrungen in Deutschland anhand der sexuellen Identität.
61 Vgl. Lebenssituation von LSBTTIQ-Menschen in Baden-Württemberg, S. 48 und Lebenssituation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgender und Intersexuellen in Rheinland-Pfalz, S. 61.
62 Vgl. Lebenssituation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgender und Intersexuellen in Rheinland-Pfalz, S. 61.
63 Vgl. Lebenssituation von LSBTTIQ-Menschen in Baden-Württemberg, S. 48.
64 Vgl. Lebenssituation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgender und Intersexuellen in Rheinland-Pfalz, S. 61 und Lebenssituation von LSBTTIQ-Menschen in Baden-Württemberg, S. 48.
65 Eine spezielle Ansprechperson für LSBTTIQ* ist bei der Brandenburgischen Polizei unter anderem über das Internetangebot der Polizei Brandenburg zu finden: https://polizei.brandenburg.de/seite/ansprechpartner-fuergleichgeschlechtlic/270213
66 Ergebnisse zur der analogen Frage, welche Erfahrungen die Befragten bei der Bearbeitung ihres Falls mit der Justiz gemacht haben, sind aufgrund der geringen Fallzahlen (n = 4 bis 5) nicht ausreichend belastbar.

 

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Für eine selbstverständliche Teilhabe ist es wichtig, dass Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans* und Inter* in der Gesellschaft sichtbar sind, dass es sowohl Angebote allein für Interessensgruppen für queere Menschen, aber auch Begegnungsstätten gibt, die dazu beitragen, dass Vorurteile gegenüber LSBTTIQ* abgebaut werden können. Daher wurden die Teilnehmer*innen danach gefragt, welche Angebote aus der LSBTTIQ*-Community ihnen besonders wichtig sind.

Die Antworten der befragten Gruppen unterscheiden sich nicht sonderlich voneinander. Zunächst wurden die Beratungsangebote genannt, die Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Trans* mit knapp hundert Prozent Zustimmung am wichtigsten erscheinen: Coming-out-Beratung, Beratung in Fällen von Benachteiligung, Ablehnung und Ausgrenzung sowie Rechtsberatung. Direkt danach folgen Selbsthilfegruppen und (politische) Interessenvertretung, die für Lesben wie Schwule sowie Trans* und Bisexuelle von besonders großer Bedeutung sind. Allein Gesundheits- und Bildungsangebote werden von Trans* als wichtiger eingestuft als von den anderen Gruppen. Dieses Ergebnis resultiert möglicherweise daraus, dass Trans* deutlich häufiger mit gesundheitlichen Fragestellungen und spezifischen Problemen (vor allem innerhalb eines Transitionsprozesses) konfrontiert sind als Lesben, Schwule oder Bisexuelle. Der höhere Bedarf, der bei Bildungsangeboten gesehen wird, kann damit zusammenhängen, dass Transsexualität und damit verbundene Themen wie Transition vielen Menschen fremd und dadurch mit Vorurteilen behaftet sind.

Beim Blick auf das Alter der Befragten ist festzustellen, dass gerade die jüngeren (und ebenfalls solche mit geringem Einkommen) Bildungsangebote für wichtiger halten als ältere brandenburgische LSBTTIQ*. Das Alter spielt auch eine Rolle, wenn es um die Bewertung von kulturellen Freizeitangeboten geht. Jugendlich Befragte bis 29 Jahren sind derartige Angebote (ähnliche Ergebnisse bei der Antwort "Sportangebote") deutlich wichtiger (83 Prozent) als befragten Brandenburger*innen ab 45 Jahren (61 Prozent). Was gastronomische Szeneeinrichtungen betrifft, stellte sich eine unterschiedliche Einschätzung der städtischen beziehungsweise ländlich lebenden LSBTTIQ*-Befragten heraus. Für die Städter*innen sind derartige Angebote zu 81 Prozent wichtig, den LSBTTIQ* auf dem Land nur zu 63 Prozent.

Damit Trans* und Inter* ein selbstverständlicher Teil der Gesellschaft werden, ist es wichtig, über geschlechtliche Vielfalt aufzuklären. Wie in vielen anderen Bereichen, wenn es um Selbstbestimmung und Gleichstellung geht, sind Bildung und Begegnung gute Möglichkeiten, um Klischees abzubauen und Vorurteile abzuschaffen. Und so gehen auch die meisten offenen Antworten auf die Frage, wie man die Begriffe Trans- und Intergeschlechtlichkeit einer breiteren Masse zugänglich machen könnte, zumeist in die Richtung Aufklärungskampagnen:

  • "'Was bedeutet eigentlich...'-Kolumnen in Zeitungen; Aufklärungsprojekte in Schulen, Behörden, Ämtern, Krankenhäusern, Arztpraxen etc."
  • "Bereits in Kinderbüchern/-sendungen Homosexuelle und Transsexuelle mit in das alltägliche Lernen von Kindern einbinden, so dass diese keine Besonderheit oder Abnormalität für diese darstellen."
  • "Die Begriffe müssen durch Öffentlichkeitsarbeit der Verwaltung und der Interessengruppen immer wieder erklärt werden, vor allem Mulitplikator*innen, z. B. Journalist*innen. Jede betroffene Person sollte in ihrem Umfeld aufklärend wirken. Broschüren mit Begriffsklärungen sind dabei eine Hilfe."
  • "Einbringung der Themenschwerpunkte in die Aus- und Fortbildung"
  • "Mehr Aufklärungsarbeit mit Hilfe der BZgA59, mehr Spielfilme, in denen das Thema gezeigt wird. Nur wenn queere Menschen regelmäßig normal zu sehen sind - auch und besonders in Spielfilmen -, kann die Allgemeinheit lernen, damit umzugehen. Wer nicht gesehen wird, kann nicht verstanden werden."
  • "Das Wort "queer" finde ich aber sehr verschleiernd. Außerhalb akademischer Kreise können wenige Menschen etwas damit anfangen. Wo möglich, sollten auch die Begriffe schwul und lesbisch benutzt werden. Diese sind klar verständlich und außerdem negativ belegt - wenn sie selbstbewusst verwendet würden, wäre der Sache sehr gedient."
  • "Die Erwachsenenbildung (VHS, Bildungswerke der evang. Kirche) sollte gefördert werden (auch finanziell), zu dem Thema Veranstaltungen anzubieten und passende betroffene Referenten einzuladen."

Offene Antworten zur Frage "Haben Sie Verbesserungsvorschläge, wie die Begriffe 'Transsexualität, Transgender, Intersexualität und Genderqueer' einer breiteren Öffentlichkeit / der 'Allgemeinbevölkerung' bekannt gemacht werden können?"

Neben der Aufklärung der gesamten Bevölkerung sind Angebote speziell für Trans*-Menschen eine Möglichkeit, Vernetzung und Beratung zu schaffen. Acht Prozent der befragten Trans* in Brandenburg geben an, weder eine Ansprechperson im privaten Umfeld, noch eine Anlaufstelle außerhalb zu haben, an die sie sich bei Sorgen oder Schwierigkeiten wenden können. Die größte Gruppe (42 Prozent der Trans*) hat Menschen im privaten Umfeld, ein Drittel kennt Anlaufstellen sowie Personen im weiteren Umfeld. Allerdings sind nur die Hälfte der befragten Trans* mit den Selbsthilfeangeboten in ihrer Umgebung zufrieden. Auffällig ist, dass hier besonders die Trans* unter 30 Jahren zustimmen - zehn der zwölf Trans*, die sich aufgefangen fühlen, gehören zu dieser jüngsten Altersgruppe. Zielgruppengerechte Angebote für ältere Trans*-Personen scheinen in Brandenburg aus Sicht der Betroffenen wünschenswert. Um die Sichtbarkeit und das Wissen um LSBTTIQ* zu erhöhen, gibt es in Brandenburg Vereine, Verbände, Selbsthilfegruppen und Projekte mit queerem Themenschwerpunkt. Es war aufgrund der Rekrutierungsmechanismen zu erwarten, dass die Teilnehmer*innen an der Studie zu einem gewissen Teil aus diesem Feld von Menschen kommen, die sich ehrenamtlich für die Belange von schwulen, lesbischen, bisexuellen, trans*, inter* und queeren Menschen in Brandenburg engagieren. Insofern liegen die Antwortzahlen auf die Frage nach dem Engagement in einem sehr hohen Bereich: Von den an der Studie teilnehmenden Städter*innen berichten 48 Prozent von ihrem Engagement, während sich die Befragten aus den eher ländlichen Regionen zu einem Drittel engagieren. Dies kann auf die weniger gut ausgeprägten Vereinsstrukturen auf dem Land, aber auch auf die möglicherweise wenig ausgeprägte Mobilität der Befragten im ländlichen Raum und vielleicht auch auf andere Möglichkeiten des Engagements hinweisen.

Gerade die befragten Trans*-Menschen engagieren sich zu 62 Prozent, während 45 Prozent der schwulen und 40 Prozent der lesbischen sowie 28 Prozent der bisexuellen Befragten von einem ehrenamtlichen Engagement berichten. Die Schwulen, die sich engagieren, sind zu 73 Prozent in Vereinen, einer Initiative oder Gruppe regelmäßig aktiv. Dasselbe gilt auch mit 54 Prozent für den größten Teil der befragten Trans*. Die lesbischen Befragten sind zu 45 Prozent am häufigsten bei besonderen Anlässen wie dem CSD, IDAHOT, Protestaktionen oder anderen Veranstaltungen aktiv. Auch die Bisexuellen nutzen zu 60 Prozent solche Veranstaltungen, um sich ehrenamtlich zu engagieren. Aus den offenen Antworten auf die Frage nach Hinderungsgründen, bei LSBTTIQ*-Vereinen mitzuwirken, wird deutlich, dass vielen Befragten in ihrer Umgebung keine Vereine zur Verfügung stehen beziehungsweise sie diese nicht kennen. Es werden aber auch weitere Gründe genannt, die in der folgenden Übersicht ausschnittweise dargestellt sind.

  • "Als asexuelle Person habe ich nicht unbedingt einen Bezug zu LSBTTIQ*-Vereinen etc. Es gibt in meiner Stadt keinen Treffpunkt für die asexuelle Community"
  • "Durch Psycho- und Hormontherapie, häufige Fragen etc. bin ich so oft mit meiner sexuellen Identität konfrontiert, dass ich mich ehrenamtlich lieber in einem anderen Bereich betätige."
  • "Es gibt hier keine Anlaufstelle oder Beratungsstelle oder Verein...komme mir vor wie außerirdisch."
  • "Fehlende Vereine/Initiativen, besonders altersgruppenentsprechend, bzw. ich weiß von keinen (möglicherweise existieren sie, aber sind nicht einfach zu finden/nicht sehr öffentlich)."
  • "Ich fühle mich mehr akzeptiert in der Masse der Menschen, als wenn ich mich besonders hervorheben muss. Die Vereine betonen mir zu sehr das schwul/lesbische Leben. Aber ist dieses denn anders als das heterosexueller Paare?! Oft spielt gerade das Thema der Sexualität die Hauptrolle und nicht die Akzeptanz des Andersseins."
  • "Ich sehe (A)sexualität nicht als wichtigen Teil von mir an. Ich gehe beim CSD mit, um Solidarität zu zeigen und andere zu informieren. Aber ich suche keine Berührung mit dem Thema, da es auch aus queeren Kreisen teilweise Ablehnung gibt."
  • "Ich trage meine sexuelle Orientierung nicht betont nach außen, sie ist ein Teil von mir und meiner individuellen Lebenswelt, den ich weder absichtlich betone noch unterdrücke/verschweige. Ich fürchte allerdings auch, mich durch öffentliche Betonung angreifbarer zu machen. In meiner eigenen Umgebung kann ich allerdings gut dazu stehen, eine Frau zu lieben. Bis dahin war es für mich aber ein längerer Weg..."
  • "Leider leben viele homosexuelle Männer sehr stark Klischees aus und das Thema Sex ist sehr präsent. Als monogames Paar findet man nur schwer Anschluss in der Szene und stößt zum Teil auf großes Unverständnis, warum man seit vielen Jahren monogam lebt. Das ging uns letztendlich zu stark auf die Nerven. Zusätzlich sehen wir Homosexualität als etwas Normales und suchen uns unsere Freunde nicht nach der sexuellen Orientierung aus. Für uns ist die Szene selber auch eine gewisse Form der Abgrenzung"

Offene Antworten auf die Frage "Gibt es einen bestimmten Grund, weshalb Sie sich nicht in einer LSBTTIQ*-Initiative / einem LSBTTIQ*-Verein engagieren (z.B. Nichtvorhandensein von LSBTTIQ*- Vereinen oder –Initiativen in der näheren Umgebung, keine altersgruppenentsprechenden Angebote)?" und Äußerungen zu queeren Vereinen

Die Mehrheit der Befragten gibt an, dass sie im kulturellen wie im sportlichen Freizeitbereich bisher keine negativen Erfahrungen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung beziehungsweise geschlechtlichen Identität oder Familienkonstellation gemacht hat. Bisexuelle sind am seltensten (nur 6 Prozent der Befragten) von Diskriminierung im Freizeitbereich betroffen. Auch die befragten Lesben geben zu 87 Prozent an, nicht diskriminiert worden zu sein. Von den schwulen Befragten aus Brandenburg ist es etwa ein Viertel, das negative Erfahrungen im Freizeitbereich gemacht hat. Zehn Prozent mehr sind es bei den Trans*. Jene haben hauptsächlich (23 Prozent) im sportlichen Bereich Negativerfahrungen gemacht. Auch der größte Anteil (17 Prozent) der schwulen Befragten mit Diskriminierungserfahrungen im Freizeitbereich gibt an, während einer sportlichen Aktivität diskriminiert worden zu sein. Insgesamt waren im Bereich der kulturellen und sportlichen Freizeit im Schnitt etwa 20 Prozent der Befragten von negativen Reaktionen betroffen.

In der folgenden Übersicht sind Erfahrungen der Befragten aus ihrer Freizeit beispielhaft aufgelistet.

  • "Jegliches Mainstream-Freizeitangebot ist für Hetero-Singles, Paare oder klassische Kleinfamilien gemacht bzw. wird mit solchen Fotos geworben. Andersartige werden nicht mitgedacht. Ich fühle mich nicht gesehen, nicht eingeladen und halte mich lieber raus bei so "Volksveranstaltungen" oder Gemeindeveranstaltungen."
  • "Ich bin Mitglied der freiwilligen Feuerwehr. Zwei Kameraden möchten es nicht verstehen, dass ich diesen, den meinen, Weg wähle, um so zu leben. Wir gehen uns weitestgehend aus dem Weg."
  • "Ich spiele Fußball und bestätige damit das Klischee. Alle Fußballerinnen seien lesbisch, daher wurden auch neue Spielerinnen von Eltern abgemeldet, damit sie nicht auch lesbisch 'werden'- in vielen Vereinen ist es eher männerdominiert und es werden blöde Sprüche gegenüber frauenliebenden Frauen gemacht."
  • "Die Umkleidekabine oder Duschen, etwa nach dem Schwimmen, sind ein Ort, wo heterosexuelle Cis-Menschen starke Berührungsängste haben. Beim Sport selbst aber nicht."

Offene Antworten auf die Frage "Welche negativen Reaktionen haben Sie bei einer kulturellen/sportlichen Freizeitbetätigung erlebt? Bitte schildern Sie Ihre Erfahrungen. Was haben Sie wo erlebt?"


 59 Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung

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Im Alter erhalten die Lebensbereiche Gesundheit und Pflege eine zunehmende Bedeutung. Neben einer hochwertigen gesundheitlichen Versorgung sollte dabei stets auch der respektvolle Umgang mit den Patient*innen im Fokus stehen. Im Rahmen der Untersuchung wurden die Teilnehmer*innen nach ihren Diskriminierungserfahrungen im medizinischen und therapeutischen Bereich befragt. Grundsätzlich haben drei Viertel der befragten LSBTTIQ* (77 Prozent) das Gefühl, dass ihre sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität keinerlei ersichtliche Bedeutung im Rahmen der Behandlung hatte. Angesichts der ansonsten berichteten Diskriminierungserfahrungen ist bemerkenswert, dass sich neun von zehn Befragten vom pflegerischen beziehungsweise therapeutischen Personal voll und ganz oder weitgehend respektvoll behandelt fühlt. Rund drei Viertel der Befragten (74 Prozent) berichten von einem selbstverständlichen Umgang mit ihren Lebenspartner*innen.

Einige Betroffene berichten jedoch auch von ignorantem Verhalten gegenüber ihrer sexuellen Orientierung beziehungsweise geschlechtlichen Identität und Unsicherheiten auf Seiten des Fachpersonals im Umgang damit. Regionale Unterschiede zwischen Stadt und Land in Brandenburg konnten nicht festgestellt werden.

Die deutliche Ausnahme zu den positiven Befunden bilden in diesem Zusammenhang Trans*-Personen: In dieser Gruppe empfinden lediglich 73 Prozent den Umgang mit dem medizinischen und therapeutischen Personal entsprechend respektvoll und nur jede*r Zweite (57 Prozent) hat das Gefühl, dass die eigene geschlechtliche Identität keinerlei ersichtliche Bedeutung im Rahmen der Behandlung spielt. Diese Beobachtung spiegelt sich auch in weiteren Aspekten wieder: So sieht sich knapp jede zweite Trans*-Person (48 Prozent) unangenehmen Fragen zur eigenen geschlechtlichen Identität ausgesetzt und 43 Prozent berichten von einer expliziten Pathologisierung der geschlechtlichen Identität. Auf weitere Formen von Diskriminierung angesprochen, berichten Betroffene davon, in Wartezimmersituationen, mit dem falschen Geschlecht aufgerufen zu werden oder beispielsweise als Transfrau in der Behandlungssituation weiterhin als männlich angesehen zu werden.

Der Blick in andere Bundesländer zeigt, dass es sich hierbei keineswegs um einen brandenburgischen Sonderfall handelt. Auch in Rheinland-Pfalz fühlten sich vor allem Trans*-Menschen im Rahmen von medizinischen Konsultationen diskriminiert.55 Im Rahmen von Beratungen, die explizit im Zusammenhang mit der sexuellen oder geschlechtlichen Identität stehen und häufig von entsprechend versierten und sensibilisierten Fachleuten durchgeführt werden, fühlten sich die Mehrheit (63 Prozent) der Trans*- Personen in Brandenburg dagegen kompetent und informiert beraten.

Die Teilnehmer*innen wurden auch zu ihren Erfahrungen mit Pflege-, Wohn- und Betreuungsangeboten befragt. Rein quantitativ hatte nur eine Minderheit Erfahrungen in diesem Bereich vorzuweisen:

Insgesamt geben acht Prozent der Befragten an, auf besondere Unterstützung angewiesen zu sein, davon fünf Prozent aufgrund einer schweren Erkrankung, zwei Prozent wegen einer Behinderung und ein Prozent aufgrund des Alters.

Von den Befragten, die Erfahrungen mit Pflege-, Wohn- und Betreuungsangeboten gemacht haben, fühlt sich ebenfalls eine überwiegende Mehrheit von 90 Prozent respektvoll vom Fachpersonal behandelt. Über drei Viertel der Befragten geben zudem an, dass im täglichen Umgang die eigene sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität keine besondere Rolle spiele. Gleichzeitig hat aber nur jede*r Dritte (31 Prozent) den Eindruck, dass das Fachpersonal in Brandenburg hinsichtlich sexueller und geschlechtlicher Vielfalt ausreichend geschult sei. Spezieller Pflege-, Wohn- und -Betreuungsangebote für LSBTTIQ* ist unter den Befragten nicht sonderlich bekannt. Gerade einmal 13 Prozent der Betroffenen in Brandenburg sind derartige Einrichtungen bekannt.56

Auch wenn sich LSBTTIQ* in Brandenburg in Bereichen der Pflege und Gesundheit generell respektvoll behandelt fühlen, zeigen die Ergebnisse, dass auf Seiten des medizinisch-therapeutischen beziehungsweise pflegerischen Personals häufig noch Defizite im Umgang mit nicht heteronormativen und zweigeschlechtlichen Lebensweisen bestehen. Dies gilt auch und vor allem für den Umgang mit Trans*-Personen. Vor allem diese Gruppe innerhalb der LSBTTIQ*-Community fühlt sich in medizinisch-therapeutischen Einrichtungen überproportional häufig diskriminiert. Nachfolgend werden offene Antworten der Befragten zum Thema Pflege sowie medizinischer und therapeutischer Behandlung widergegeben.

  • "Das ganze amtliche Procedere basierend auf dem völlig veralteten TSG57 ist demütigend und kostenintensiv. Nicht jeder, der keine Prozesskostenhilfe bekommt, kann es sich auch leisten, über 1000 € für den Amtsakt aus eigener Tasche zu bezahlen."
  • "Ein Oberarzt hatte offensichtlich ein Problem mit unserer Partnerschaft und wurde im Gespräch immer abfälliger/unsensibler"
  • "Ich oute mich nur vor Ärzten in Berlin, wenn es sich ermöglichen lässt. Aber auch dort sind z.B. Formulare nie für homosexuelle Lebenspartnerschaften gemacht."
  • "In Berlin ist es sehr schwer, als transsexueller Mensch qualifizierte Hilfe zu bekommen. In Berlin gibt es eigentlich nur einen Arzt, der offen mit transsexuellen Menschen umgeht. […] Wenn man irgendwelche gesundheitlichen Probleme hat, kann es transsexuellen Menschen schnell passieren, dass es auf psychische Ursachen reduziert wird. "Man vertrage die Hormone nicht o.ä." Ärzte glauben, man sei irgendwie weiterhin insgeheim somatisch männlich. Beispielsweise wurde mir gesagt, es gäbe kein Brustkrebsrisiko für Transsexuelle, weil sie ja eigentlich männlich seien."
  • "Hausärzte / Allgemeinmediziner haben oft noch die Meinung, man müsste zum Psychiater - dabei sind wir nicht psychisch krank. Ein Hausarzt sollte einen direkt zu einem Endokrinologen überweisen können. Nur bei Bedarf macht Psychotherapie Sinn, aber nicht verpflichtend (wie es derzeit auf Grund der MdK-Vorgaben im Blick auf die GaOp58 noch ist - sonst zahlt die Krankenkasse nicht)"

Offene Antworten zur Frage "Haben Sie andere negative Erfahrungen im medizinischen oder therapeutischen Bereich gemacht, die in der vorangegangenen Frage nicht aufgeführt waren? Falls ja, beschreiben Sie diese bitte kurz."

 


55 Vgl. Lebenssituation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgender und Intersexuellen in Rheinland-Pfalz, S. 67.
56 Mit ähnlichen Informationsherausforderungen sehen sich auch andere Bundesländer konfrontiert. So lag das Wissen um lsbttiq*-spezifische Pflege-, Wohn- und Betreuungsangebote etwa in der baden-württembergischen Befragung bei acht Prozent der Betroffenen. Vgl. Lebenssituation von LSBTTIQ-Menschen in Baden-Württemberg, S. 35.
57 Gemeint ist das Transsexuellengesetz.
58 Bei dem Zitat handelt es sich um eine Stellungnahme zu den Vorgaben des Medizinischen Dienstes (MdK) der Krankenversicherung bei geschlechtsangleichenden Operationen (GaOp)

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Die überwiegende Mehrheit der Befragten (85 Prozent) war zum Zeitpunkt der Befragung oder davor erwerbstätig. LSB-Personen geben dabei häufiger eine Erwerbstätigkeit an (Schwule zu 91 Prozent, Lesben zu 88 Prozent, Bisexuelle zu 78 Prozent) als Trans*Personen (69 Prozent). Damit liegt die rein quantitative Integration der LSB-Personen in den Arbeitsmarkt in Brandenburg auf einem ähnlichen Niveau wie beispielsweise in der baden-württembergischen Studie (86 Prozent), die von Trans*Personen unterhalb der Situation in Baden-Württemberg (79 Prozent).48 Dass Trans* deutschlandweit von Diskriminierung am Arbeitsplatz betroffen sind, ist durch Studien mehrfach aufgezeigt worden.49

42 Prozent der erwerbstätigen Befragten geben an, zurzeit im Öffentlichen Dienst tätig zu sein beziehungsweise tätig gewesen zu sein (inklusive Ausbildung). Hier sind Lesben, Schwule und Bisexuelle auch etwas häufiger vertreten als Trans*Personen (22 Prozent).

Die Teilnehmer*innen wurden ebenfalls zu negativen Reaktionen an ihrem Arbeits- oder Ausbildungsplatz aufgrund ihrer sexuellen Orientierung beziehungsweise geschlechtlichen Identität befragt. Die Ergebnisse belegen, dass Trans-, Bi- und Homophobie am Arbeitsplatz nach wie vor vorhanden sind. Fast jede*r Vierte (23 Prozent) der im Öffentlichen Dienst beschäftigten Befragten gibt an, in der Vergangenheit bereits Diskriminierungserfahrungen am Arbeitsplatz gemacht zu haben. In der freien Wirtschaft berichtet sogar jede*r Dritte (32 Prozent) über entsprechende Erfahrungen.

Vergleicht man dies mit den Ergebnissen anderer Studien, zeigt sich jedoch, dass es sich hierbei nicht um ein spezifisch brandenburgisches Problem handelt. In Baden-Württemberg berichten beispielsweise 30 Prozent der im Öffentlichen Dienst beschäftigten Befragten und 27 Prozent der in der freien Wirtschaft Tätigen von negativen Erfahrungen am Arbeitsplatz aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität.50 Dabei beginnt Diskriminierung bereits während der Bewerbungsphase im Rahmen von Stellenbesetzungen: Mehr als jede*r dritte Diskriminierungsbetroffene im Öffentlichen Dienst gibt an, aufgrund der Zugehörigkeit zu LSBTTI*-Personen eine Stelle gar nicht erst bekommen zu haben. In der Privatwirtschaft betrifft dies sogar 46 Prozent der Befragten51.

Auch Ausbildungszeiten sind nicht frei von Vorurteilen und Benachteiligungen: 28 Prozent derjenigen, die im Öffentlichen Dienst Diskriminierungserfahrungen gemacht haben, machten diese bereits während der Ausbildung. In der freien Wirtschaft waren es 41 Prozent. Während in Brandenburg in der freien Wirtschaft Trans*-Personen und lesbische Frauen mit 43 Prozent beziehungsweise 36 Prozent nach eigener Auskunft am häufigsten Opfer von Diskriminierung am Arbeitsplatz wurden, äußerten im Öffentlichen Dienst vor allem schwule Männer (24 Prozent) entsprechende Erfahrungen.52 Als die häufigsten Diskriminierungsformen am Arbeitsplatz werden das Nicht-Ernstnehmen der eigenen sexuellen Orientierung beziehungsweise geschlechtlichen Identität (83 Prozent bzw. 81 Prozent der Betroffenen)53 sowie Mobbing in Form von Lästern (91 Prozent bzw. 75 Prozent) und unangenehme Witze zu Lasten der Befragten genannt. Dies deckt sich mit Erfahrungen von LSBTTI*-Personen in RheinlandPfalz und Baden-Württemberg. Hier stellten diese Formen der Diskriminierung ebenfalls die am häufigsten genannten negativen Reaktionen am Arbeits- oder Ausbildungsplatz dar.54 In der Privatwirtschaft Brandenburgs berichten die Befragten zudem vergleichsweise häufig (65 Prozent) von Ausgrenzung im Kollegenkreis. Knapp die Hälfte (48 Prozent bzw. 45 Prozent) der Befragten sieht sich in ihrer beruflichen Weiterentwicklung unzureichend gefördert. 43 beziehungsweise 36 Prozent geben an, aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu LSBTTI*-Personen eine Stelle nicht bekommen zu haben. Eine Person berichtet konkret davon, ihres Dienstpostens enthoben und auf eine andere Stelle versetzt worden zu sein, da der Vorgesetzte nach dem Outing nicht mehr weiter mit ihr zusammenarbeiten wollte.

Trans*-Menschen sind dabei in besonderem Maße von Diskriminierung am Arbeitsplatz betroffen. So berichten 38 Prozent bzw. 30 Prozent davon, nicht in ihrem gewünschten Geschlecht angesprochen zu werden oder sehen sich in der freien Wirtschaft (31 Prozent) gar gezwungen, im früheren Geschlecht weiterzuarbeiten, um ihren Arbeitsplatz nicht zu verlieren. Fast jede*r fünfte Trans*-Person wird der Zugang zur Toilette des neuen Geschlechts nach eigenen Angaben verweigert.

Auch wenn sowohl im Öffentlichen Dienst als auch in der freien Wirtschaft vielfach ähnliche Diskriminierungsszenarien auftreten, erscheinen die Schilderungen von in der freien Wirtschaft tätigen Befragten im Detail besonders eklatant: Mehr als jede*r Vierte (26 Prozent) mit Diskriminierungserfahrung 28 berichtet hier von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz und fast jede*r Zehnte (9 Prozent) gibt an, am Arbeitsplatz bereits Opfer von sexueller Gewalt geworden zu sein. Sechs Prozent der Betroffenen berichten sogar von körperlichen Angriffen in Form von Schlägen und Tritten am Arbeitsplatz. Aber auch unterhalb der Schwelle von unmittelbaren sexuellen und körperlichen Angriffen zeigen sich in der freien Wirtschaft deutlichere Diskriminierungstendenzen. Fast ein Viertel (23 Prozent) berichtet davon, dass aufgrund der sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität der Kontakt zu Kund*innen und Klient*innen untersagt wurde. Jede*r Dritte (30 Prozent) hat nach eigener Aussage aufgrund von Benachteiligung, Ablehnung und Ausgrenzung bereits einmal gekündigt und 14 Prozent wurde bereits gekündigt. Eine Person berichtete davon, gegen ihren Willen gegenüber Kund*innen geoutet worden zu sein.

Vor diesem Hintergrund scheint es aus Sicht der Betroffenen nur plausibel, dass knapp die Hälfte (48 Prozent) der in der freien Wirtschaft tätigen Befragten sich zumindest gegenüber einem Teil der Mitauszubildenden, Kolleg*innen und Vorgesetzten gar nicht erst geoutet haben. In der Folge lässt dies zumindest vermuten, dass die hier vorliegenden Werte daher auch nicht das ganze Ausmaß an Homound Transphobie am Arbeitsplatz abbilden, da die eigene sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität von den Befragten vielfach aus Angst vor Diskriminierung gar nicht erst sichtbar gemacht und thematisiert wird.

Positiv berichtet dagegen über die Hälfte der Betroffenen (56 Prozent), bei Diskriminierung Unterstützung von Kolleg*innen, Mitauszubildenden oder Vorgesetzten erfahren zu haben. Im Öffentlichen Dienst liegt die Unterstützung durch das Arbeitsumfeld mit 72 Prozent sogar noch deutlich höher.

  • "Ich wurde von meinem Dienstposten enthoben und auf eine andere Stelle versetzt. Mein Vorgesetzter wollte nicht mehr mit mir arbeiten."
  • "Besonders von den Arbeitskollegen und Chef"
  • "Fremd-Outing gegenüber Kunden*innen"
  • "Man bekommt teilweise auch keine Zeugnisse"
  • "Es gibt auf Arbeit auch eine unangemessene Neugier über mein Privatleben als Lesbe. Bei meinen vorhergehenden Arbeitsstellen war es schwierig, als miterziehende Mutter (und dann später Großmutter) anerkannt zu werden, wenn es z.B. um Urlaubsplanung ging. Da durften lange nur die leiblichen Mütter und Omas die Schulferien als Urlaubszeiten nutzen."
  • "In einem Praktikumsbetrieb, wo ich 3 Monate tätig war. Wurde mir später berichtet, dass die Mitarbeiter so seltsam mir gegenüber sich verhalten haben und auch so ablehnend, weil sie nicht mit meiner Homosexualität klar kamen."
  • "Bei der Benutzung der Damendusche am Arbeitsplatz wurde ich vor ein Tribunal gestellt."
  • "Im Hinblick auf das Jobcenter,gab es keine Möglichkeit meine damalige Freundin als Lebenspartnerin anzugeben. Als wir einen WBS Schein davor beantragen wollten, guckte uns die Sachbearbeiterin nur merkwürdig an... und murmelte vor sich her..."

Offene Antworten zur Frage " Haben Sie andere als die in der Frage aufgeführten negativen Reaktionen aufgrund Ihrer sexuellen Identität bzw. Zugehörigkeit zu TTI*-Menschen an Ihrem Arbeits- oder Ausbildungsplatz erfahren?"

 


48 Vgl. Lebenssituation von LSBTTIQ-Menschen in Baden-Württemberg, S. 43.
49 Vgl. bspw. Out im Office?!, S. 13 oder Franzen, Jannik; Sauer, Arn (2010): Benachteiligung von Trans*Personen, insbesondere im Arbeitsleben. Hg. v. Antidiskriminierungsstelle des Bundes. URL: http://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Downloads/DE/publikationen/Expertisen/Expertise_Benachteiligung_von_Trans_personen.pdf?__blob=publicationFile&v=2
50 Vgl. Lebenssituation von LSBTTIQ-Menschen in Baden-Württemberg, S. 44.
51 Notabene: Hier werden subjektive Diskriminierungserfahrungen berichtet, denen nicht zwangsläufig immer Diskriminierungshandlungen oder Diskriminierungsintentionen entsprechen müssen.
52 Da die Fallzahlen für Bisexuelle und Trans*-Personen im Öffentlichen Dienst zu gering für eine Prozentuierung sind, wurde an dieser Stelle auf eine dezidierte Darstellung dieser Subgruppen verzichtet.
53 Die aufeinander folgenden Prozentzahlen beschreiben jeweils zuerst die Negativerfahrungen in der freien Wirtschaft und dann die Werte für den Öffentlichen Dienst.
54 Vgl. Lebenssituation von LSBTTIQ-Menschen in Baden-Württemberg, S. 44 sowie Lebenssituation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgender und Intersexuellen in Rheinland-Pfalz, S. 56.

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Im Fragebogen wurde auch nach negativen Erfahrungen und Benachteiligungen in einem für die meisten Menschen sehr prägenden Lebensbereich gefragt, nämlich dem Bildungsbereich. Die Ergebnisse zeigen: Schule, inklusive der Berufs- und Fachschulen, ist der Ort, an dem nach der eigenen Familie, der Freizeit und der Öffentlichkeit am häufigsten diskriminierende Erfahrungen von den Befragten gemacht worden sind. Gut ein Drittel der Online-Befragten haben negative Erfahrungen in der Schule gemacht. Besonders betroffen sind Trans*-Personen, von denen zwei Drittel angeben, diskriminierende Schulerfahrungen gemacht zu haben beziehungsweise aktuell erleben. 22 Prozent der Trans* berichten sogar von regelmäßigen Benachteiligungen aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität.41

Im Vergleich zu den Befragungen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz wird in brandenburgischen Bildungseinrichtungen (36 Prozent) deutlich seltener von Diskriminierung und Benachteiligung berichtet. In Baden-Württemberg haben 77 Prozent der Befragten mindestens einmal innerhalb von fünf Jahren diskriminierende Erfahrungen an Schulen, Fach- oder Berufsschulen gemacht und 55 Prozent an den Hochschulen.42 Dagegen berichteten 54 Prozent der Befragten in Rheinland-Pfalz davon, regelmäßig beziehungsweise mehrmals an den Schulen, Berufs- und Fachschulen Diskriminierung erlebt zu haben, und ein Viertel an den Hochschulen.43

Dabei verteilen sich alle berichteten Diskriminierungserfahrungen in Brandenburg gleichmäßig auf Schulen in größeren Städten wie auf Schulen im ländlichen Raum – es gab hier keine signifikanten Unterschiede nach Wohnort der Befragten.

Neben der Häufigkeit erfahrener Benachteiligungen interessiert auch deren Ausprägung in den unterschiedlichen Schulformen. Besonders stark fallen die negativen Reaktionen laut Aussage der Befragten an den Allgemeinen Schulen Brandenburgs aus. Hier wertet mehr als jede*r zweite Befragte die erlebten Reaktionen als sehr stark oder stark negativ. Dagegen überwiegen an den Hochschulen eher schwächere Formen der Diskriminierung von LSBTTIQ*.

Welche konkreten Formen der Diskriminierung und Benachteiligung an den Bildungseinrichtungen des Landes wurden und werden gemacht? Zahlreiche Befragte geben hierzu ihre Erfahrungen offen wieder. Diese reichen von abwertenden Blicken mancher Mitstudent*innen bis hin zu diskriminierenden Situationen für Kinder aus Regenbogenfamilien. So berichtet eine Mutter, die ihr Kind zusammen mit ihrer Partnerin aufzieht, von abwertenden Bemerkungen von Mitschüler*innen und aufgrund dieser Erfahrung von Geheimhaltung der Familiensituation gegenüber einem Teil der Mitschüler*innen. Die nachstehende Übersicht gibt einen Auszug aus verschiedenen Antworten auf offene Fragen in diesem Kontext:

  • "Ich konnte mich zum Teil auf Grund der ständigen Beleidigungen und Anfeindungen (obwohl ungeoutet und nur durch die Peiniger verdächtigt) kaum auf den Lernstoff konzentrieren. Dabei bin ich auf eine sehr gute und tolerante Schule inmitten einer Großstadt gegangen, nachdem ich wegen schlimmerer Vorfälle die Schule vom Land gewechselt habe."
  • "Lehrer hat meine Situation nicht interessiert. Mitschüler haben mich gemobbt, geschlagen und beleidigt."
  • "Ein Professor lässt mich regelmäßig unterschwellig aber bestimmt wissen, dass ich nicht erwünscht bin in seinem "heterosexuellen" Studiengang."
  • "Nicht Wahrnehmen bzw. Einbeziehen unserer Lebensweise im öffentlichen Leben, z. B. in Kita- und Schulmaterialien, Büchereien. Keine Bereitschaft von öffentlichen Stellen, Pädagog*innen, sich damit auseinanderzusetzen bzw. Weiterbildungen zu besuchen."
  • "Mein Kind wurde in der Kita nur mit Materialien zu Hetero-Familien konfrontiert, was es in seiner Familienkonstellation irritierte. Meine Kinder waren in der Schule mit lesben-/schwulenfeindlichen Schimpfwörtern konfrontiert. Dadurch, dass es kein passendes Sorgerecht für unsere 4-Eltern-Familie (2 schwule Väter, 2 lesbische Mütter) gibt, wird uns oft das tägliche Leben in Schule, Kita, Ämtern... erschwert."

Offene Antworten auf die Frage: „Haben Ihr/e Partner_in und / oder Ihr/e Kind/er und / oder andere Ihnen nahestehende Menschen (z.B. Eltern oder Geschwister) in den vergangenen fünf Jahren aufgrund Ihrer sexuellen Identität bzw. Zugehörigkeit zu TTI*-Menschen negative Reaktionen erfahren? Welche negativen Reaktionen wurden erlebt?“

Dass es sich bei diesen Aussagen nicht um Einzelfälle handelt, machen die folgenden Ergebnisse deutlich: Gefragt wurde nach den Erfahrungen von LSBTTIQ* mit dem Lehrpersonal an Schulen und Hochschulen44 ebenso wie nach Erfahrungen mit Mitschüler*innen und Mitstudierenden. Neben positiven Signalen wie der Auskunft, dass sich 69 Prozent der Befragten vom Lehrpersonal und 63 Prozent der Befragten von ihren Peers anerkannt und wertgeschätzt fühlen45, sind allerdings auch Diskriminierungserfahrungen zu verzeichnen:

So wird nicht nur von körperlichen Übergriffen durch Mitschüler*innen und Mitstudent*innen (17 Prozent der Befragten, unter schwulen Schülern gar 25 Prozent der Befragten), sondern auch durch Lehrpersonal (7 Prozent) berichtet. In jedem achten Fall sind Schulwechsel die Folge. Abwertende Äußerungen unter Gleichaltrigen und ein Gefühl der Ungleichbehandlung durch pädagogische Fachkräfte haben zirka ein Drittel der Befragten innerhalb der vergangenen fünf Jahre erlebt – im Vergleich trifft dieses Gefühl der ungerechten Behandlung durch Lehrkräfte nur auf acht Prozent der rheinland-pfälzischen LSBTTIQ*-Befragten zu.46

Ein Outing im Bildungsbereich scheint auch heute noch problematisch zu sein. So geben drei Viertel der Befragten in Brandenburg an, nicht vor dem Lehrpersonal geoutet zu sein. Gut die Hälfte der Befragten sagt das Gleiche im Hinblick auf ihre Peers. Dabei sind besonders viele LSBTTIQ*-Schüler*innen in den Großstädten nicht geoutet (82 Prozent), während in Schulen auf dem Land vergleichsweise mehr Outings zu verzeichnen sind (64 Prozent nicht geoutet). Einer besonderen Diskriminierungslage sind Trans*Schüler*innen und -Student*innen ausgesetzt. Ein Viertel unter ihnen beklagt, nicht im für sie richtigen Geschlecht angesprochen zu werden. Mehr als jede*r Zweite fühlt sich aufgrund der eigenen geschlechtlichen Identität vom Lehrpersonal ungerecht behandelt. Dieser Wert liegt deutlich über dem in Rheinland-Pfalz berichteten Niveau (dort berichten 20 Prozent der Trans* von Ungleichbehandlung aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität durch Lehrkräfte).47

Konkreter Handlungsbedarf wird deutlich, schaut man sich die hilfeleistenden Reaktionen von Mitschüler*innen und Mitstudent*innen sowie der Lehrkräfte und Dozent*innen an: Denn gut einem Drittel der Befragten kam in den erlebten Diskriminierungssituationen niemand zu Hilfe. Dort, wo Hilfe geleistet wurde, kam sie zu einem überwiegenden Teil (57 Prozent) von den Gleichaltrigen beziehungsweise Peers. Nur in selteneren Fällen wurde Unterstützung von Lehrkräften und Dozent*innen berichtet (25 Prozent).

Daraus ist zweierlei abzuleiten: Zum einen mag es sein, dass Lehrkräfte zu selten von Diskriminierungshandlungen aufgrund der sexuellen oder geschlechtlichen Identität erfahren (schließlich gaben drei Viertel der Befragten an, vor dieser Gruppe nicht geoutet zu sein). Zum anderen kann dem Bildungspersonal beispielsweise durch Qualifikation oder klare Leitfäden professionelles Eingreifen leichter gemacht beziehungsweise vorgeschrieben werden (Lehrpersonal, das selbst zu Täter*innen wird, wird andernfalls kaum einschreiten).

 


41 Die Nennungen beziehen sich allesamt auf Erfahrungen aus den vergangenen fünf Jahren.
42 Vgl. Lebenssituation von LSBTTIQ-Menschen in Baden-Württemberg, S. 29.
43 Vgl. Lebenssituation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgender und Intersexuellen in Rheinland-Pfalz, S. 42. In Rheinland-Pfalz wurde nach Diskriminierungserfahrungen generell gefragt, nicht nach den vergangenen fünf Jahren.
44 Die überwiegende Mehrheit der Befragten (83 Prozent) bezieht ihre Angaben auf erlebte Situationen in den Allgemeinen Schulen. Eine detaillierte Aufschlüsselung der Befunde nach Allgemeinen Schulen, Berufs- und Fachschulen sowie Hochschulen ist auf Basis teilweise geringer Fallzahlen in den einzelnen Institutionen nicht sinnvoll.
45 Dies entspricht einer signifikant höheren Wertschätzung, als von den Befragten in Rheinland-Pfalz berichtet wird. Dort fühlt sich nur gut jede*r Dritte (34 Prozent) von seinen Peers anerkannt. Vgl. Lebenssituation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgender und Intersexuellen in Rheinland-Pfalz, S. 46.
46 Vgl. Lebenssituation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgender und Intersexuellen in Rheinland-Pfalz, S. 46.
47 Vgl. ebd. S. 50.

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So wichtig die Familie für das persönliche Coming-out und die Lebenszufriedenheit ist, so sehr berichten die Befragten von negativen Erfahrungen innerhalb des Familienkreises. Das Lebensumfeld Familie ist sogar dasjenige, in dem von den meisten Befragten diskriminierende Erfahrungen gemacht wurden. Obwohl weit mehr als die Hälfte der Studienteilnehmer*innen angeben, dass ihre sexuelle Orientierung beziehungsweise geschlechtliche Identität im Familienkreis positiv aufgenommen wurde, machten mehr als ein Drittel der Befragten die Erfahrung, dass ihre sexuelle Orientierung in manchen Fällen nicht mitgedacht, nicht ernst genommen oder absichtlich ignoriert wurde.

Der Anteil der Trans*-Befragten war bei diesen Antworten jeweils doppelt so hoch oder höher im Vergleich zu lesbischen, schwulen und bisexuellen Brandenburger*innen, die diese Erfahrungen gemacht haben. Zehn Prozent der Trans* wurden gar von Familienmitgliedern körperlich angegriffen oder verprügelt. Während nur etwa 15 Prozent der Lesben, Schwulen und Bisexuellen damit zu kämpfen haben, dass Familienmitglieder übertriebenes Interesse an ihrer sexuellen Identität zeigen, sehen sich 60 Prozent der Trans* mit indiskreten Nachfragen konfrontiert. Das lässt darauf schließen, dass das Wissen über Transsexualität, Transgender oder etwa den Prozess der Transition gering ist und eine gewisse Unsicherheit in Bezug auf diese Themen besteht.

Die Frage nach der Situation innerhalb der eigenen Familie wurde aus der Studie des DJI zu Comingout-Prozessen von Jugendlichen übernommen und aus methodischen Gründen um eine positive Antwortmöglichkeit ergänzt. Im Ergebnis zeigt sich, dass die Antworten der brandenburgischen Befragten stark mit denen der DJI-Umfrage vergleichbar sind. Beispielsweise berichten 41 Prozent der Brandenburger Befragten (gegenüber 64 Prozent in der DJI-Studie), sich mit ihrer sexuellen Orientierung innerhalb ihrer Familie nicht ernstgenommen zu fühlen.37 Dass immer noch LSBTTIQ* auch in Brandenburg mit Akzeptanzproblemen in ihrer Herkunftsfamilie zu kämpfen haben, entspricht Ergebnissen aus Bevölkerungsbefragungen. In diesen geben etwa 40 Prozent der Deutschen an, dass es ihnen eher oder sehr unangenehm wäre, wenn ihr Sohn schwul beziehungsweise ihre Tochter lesbisch wäre.38 Darüber hinaus gibt es noch etliche Menschen, die davon ausgehen, dass man beeinflussen kann, ob man homosexuell ist oder nicht - eine Einschätzung, die je nach Bildungsstand unterschiedlich stark ausgeprägt ist.39

In eine Familie wird man hineingeboren, wächst mit ihr auf und entschließt sich im Erwachsenenalter, eine eigene Familie zu gründen - oder nicht. In der Online-Befragung sollte es neben den Erfahrungen mit Eltern, Geschwistern und anderen Verwandten der Herkunftsfamilie auch um die eigene Familienkonstellation und -planung der Befragten gehen. Zum Zeitpunkt der Befragung lebten 40 Prozent der LSBTTIQ* in einer festen Partnerschaft, 19 Prozent in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft und drei Prozent in einer (heterosexuellen) Ehe. 39 Prozent der Befragten leben ohne feste*n Partner*in. Bedingt durch die hohe Anzahl homosexueller Befragungsteilnehmer*innen in der Stichprobe, handelt es sich bei den festen Partnerschaften zu 90 Prozent um gleichgeschlechtliche Partnerschaften.40 Knapp die Hälfte der Trans* und Bisexuellen gibt dazu an, derzeit ohne feste*n Partner*in zu leben. Von den schwulen Befragten sind 41 Prozent ohne Partner, 36 Prozent leben in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft, 22 Prozent in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Etwa die Hälfte der Lesben (46 Prozent) lebt in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft, ein Viertel (25 Prozent) in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Mit 18 Prozent ist der Anteil der Trans* sowie der der Bisexuellen, die in einer Ehe leben, unter den befragten Gruppen am höchsten.

Der Vergleich zwischen den verschiedenen Altersgruppen zeigt, dass besonders viele Menschen zwischen 16 und 29 Jahren (52 Prozent) derzeit ohne Partner*in sind, während die Befragten über 45 Jahren nur zu 12 Prozent als Singles leben.

In der Befragung zeichnet sich ab, dass Lesben in Brandenburg deutlich häufiger als LSBTTIQ* mit Kindern in einem Haushalt leben. Ein Drittel der Lesben gibt an, Kinder unter 18 Jahren im Haushalt zu haben - davon 20 Prozent ein Kind, 13 Prozent zwei und ein Prozent vier Kinder. Im Vergleich: nur vier Prozent der Schwulen leben mit Kindern unter 18 Jahren sowie 21 Prozent der Bisexuellen und 23 Prozent der Trans*. Insgesamt leben vier Fünftel der Befragten kinderlos.

Die befragten LSBTTIQ*, die mit minderjährigen Kindern in einem Haushalt leben (ca. 20 Prozent), wurden danach gefragt, ob diese Familie als Regenbogenfamilie – eine Familie, in der mindestens ein Elternteil nicht heterosexuell ist – gilt. Etwa zwei Drittel der Befragten (65 Prozent) bejahten diese Frage. Von den Lesben, die mit Kindern unter 18 Jahren in einem Haushalt leben, gaben 81 Prozent an, als Teil einer Regenbogenfamilie zu leben.

Zum Teil sind nicht nur die Menschen, die nicht in das heteronormative Zweigeschlechtersystem passen, von Diskriminierung betroffen, sondern auch diejenigen, die ihnen nahestehen, wie Familie oder Freunde. Die Befragungsergebnisse zeichnen ein deutliches Bild: Besonders häufig sind es Partner*innen oder andere Menschen im Umfeld der Trans*Befragten, die negativen Reaktionen ausgesetzt sind, allein weil sie mit Trans* in Verbindung stehen. Zwei Drittel der Trans*, die an der Befragung teilgenommen haben, geben dies an. Hingegen verneinen die Frage nach Diskriminierungserfahrungen 56 Prozent der Bisexuellen, 57 Prozent der Lesben und 63 Prozent der Schwulen. Elf Prozent der lesbischen Befragten bestätigen, dass ihr/e Kind/er Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Orientierung ihrer Eltern ausgesetzt sind.

In der folgenden Übersicht sind einzelne Antworten der Studien-Teilnehmer*innen dargestellt, die sich auf Familie und Freundeskreis beziehen. Sie schildern verschiedene Diskriminierungsformen, die als Alltagssituationen von LSBTTIQ* in Brandenburg so im quantitativen Teil der Umfrage nicht abgefragt wurden.

  • "Nicht ernst nehmen der Partnerschaft: Meine Partnerin wurde nicht vorgestellt vor anderen, es wurde davon ausgegangen, dass es eine Phase ist und irgendwann der Richtige kommt, meine Beziehung wurde von anderen geheim gehalten."
  • "Ausgrenzung von anderen Kindern und insbesondere anderen Elternteilen im schulischen und freizeitlichen Bereich"
  • "Direkte Beschimpfungen, die Empfehlung, die Partnerschaft zu beenden, weil ich aufgrund meiner sexuellen Einstellungen 'nicht treu sein könnte', die Empfehlung, die Freundschaft mit mir zu beenden, da die Aussage, nicht heterosexuell zu sein, lediglich zur Aufmerksamkeitsgewinnung dient"
  • "Eltern werden im Freundeskreis gemobbt: Ihr Kind sei 'krank und abartig' und es sei eine Frage der Erziehung, die wohl 'schief ging'. Ein Sexualpartner wurde von seinen Freunden verspottet, dass er ja nicht schwul sein kann, wenn er mit einem Transmann Sex hat."
  • "Mein Vater hat zwei Töchter. Welche, die Dunkelhaarige oder die Lesbe? Dass ich blond bin, steht nicht mehr im Vordergrund."
  • "Meine Schwester hat mein Coming-out komplett ignoriert, nannte mich bei meinem Geburtsnamen, rollte mit den Augen wenn ich anfing, mit ihr darüber zu reden und war alles in allem in jeder Hinsicht unsensibel. Selbst wenn ich versuchte, ihr die Lage zu schildern, blockte sie komplett ab. Traurig ist das gerade, weil sie meint, ein Befürworter der LGBTQ-Community zu sein."
  • "Ich sollte in der Notaufnahme das Behandlungszimmer verlassen, als mein Sohn behandelt wurde, da die leibliche Mutter da war."
  • "Insbesondere strukturelle Diskriminierung, da ich in einer Regenbogenfamilie lebe und dadurch nicht gleichgestellt bin. Latent schwingt die Angst vor Diskriminierung immer mit [und] Angst, dass mein Kind ausgegrenzt wird. Sehr häufig [gibt es] negative Kommentare über die Familienkonstellation (Vater als Spender, der mehrere Kinder gezeugt hat, und Kontakt hält). Ausgefragt werden über Entstehung des Kindes."
  • "Partnerin soll unsere Beziehung laut ihrer Familie bitte nur im Verborgenen ausleben, es wirft schließlich ein schlechtes Licht auf die Familie. Man müsse sonst umziehen."

Offene Antworten zur Frage: "Haben Ihr/e Partner*in und/oder Ihr/e Kind/er und/oder andere Ihnen nahestehende Menschen (z.B. Eltern oder Geschwister) in den vergangenen fünf Jahren aufgrund Ihrer sexuellen Identität bzw. Zugehörigkeit zu TTI*-Menschen negative Reaktionen erfahren? Welche negativen Reaktionen wurden erlebt?"

Von besonderem Interesse ist die Frage, ob und in welchem Umfang brandenburgische LSBTTIQ* in (staatlichen) Institutionen Diskriminierungen aufgrund ihrer Familienkonstellation erleben. Bei den Ergebnissen fällt auf, dass Lesben, Schwule und Bisexuelle wie bereits in den vorhergehenden Feldern über vergleichsweise weniger negative Erlebnisse berichten. Die befragten Trans* aus Brandenburg wurden nach eigenen Angaben deutlich häufiger in Jugendämtern, Sozialämtern, im Einwohnermeldeamt, der Agentur für Arbeit, Standesämtern, bei Gericht, im Schul- oder Finanzamt, in Jugend- aber auch Beratungseinrichtungen diskriminiert. Diese Beobachtung zieht sich durch alle Lebensbereiche, die in der Online-Befragung thematisiert wurden.

Die Orte, von denen Benachteiligungen berichtet wurden, sind mit 14 Prozent Betroffenen die Jugendämter sowie mit 13 Prozent Betroffenen die Finanzämter, ebenso wie die Agenturen für Arbeit und die Jobcenter (13 Prozent). Daraus lässt es sich ableiten, dass 85 bis 90 Prozent der befragten LSBTTIQ* in Brandenburg, die in Kontakt mit den jeweiligen Behörden stehen, keine negativen Erfahrungen bezüglich ihrer Familienkonstellation gemacht haben.

 


37 Vgl. Coming-out - und dann...?!, S. 20.
38 Vgl. Einstellungen gegenüber lesbischen, schwulen und bisexuellen Menschen in Deutschland, S. 68.
39 Vgl. ebd. S. 84.
40 Mit Etablierung der Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare im Sommer 2017 dürften sich diese Werte in der nahen Zukunft merklich verändern und der Anteil von Eheschließungen in der LSBTTIQ*-Community deutlich erhöhen.

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Auch die folgenden Ergebnisse machen deutlich, dass Sorgen vor dem Coming-out beziehungsweise der Sichtbarkeit als Lesbe, Schwuler, Bisexuelle*r, Trans* oder Inter* in Brandenburg in den Erfahrungen der Befragten eine hohe Bedeutung haben. Denn von den Befragten hat etwa die Hälfte (48 Prozent) in den vergangenen fünf Jahren negative Erfahrungen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung beziehungsweise geschlechtlichen Identität machen müssen. Ein Vergleich zwischen den Aussagen der in der Stadt und der auf dem Land lebenden Befragten ergibt, dass im Durchschnitt 53 Prozent der Städter*innen gegenüber 39 Prozent der im ländlichen Raum lebenden LSBTTIQ* in den vergangenen fünf Jahren diskriminiert wurden. Hierbei könnte es sich um einen für Brandenburg spezifischen Befund handeln, da Vergleichswerte aus Baden-Württemberg keine derart großen Differenzen zwischen Stadt und Land aufzeigen.33

Allerdings gibt es auch wohnort-spezifische Diskriminierungsformen: So zeigt sich, dass trotz der in den Städten höheren Diskriminierungshäufigkeit einzelne negative Reaktionen auf dem Land häufiger vorkommen, nämlich soziale Ausgrenzung, der Ausschluss aus Gruppen und Kontaktvermeidung. Bei letzterem ist der Unterschied besonders deutlich: 38 Prozent Betroffene in der Stadt, 65 Prozent auf dem Land.

Unabhängig vom Wohnort besonders häufig von Diskriminierung betroffen sind Trans*Personen. Die befragten Trans* hatten immerhin zu mehr als drei Vierteln negative Erlebnisse in den vergangenen fünf Jahren. So gibt es kaum eine befragte Trans*Person in Brandenburg, die keine Beleidigungen oder verbale Angriffe erfahren hat (92 Prozent berichten davon). Etwas mehr als die Hälfte der Lesben, 41 Prozent der Schwulen und zirka ein Drittel der Bisexuellen waren ebenfalls mit negativen Reaktionen wie Benachteiligung, Ablehnung oder Ausgrenzung konfrontiert.

Dabei berichten 80 Prozent der Betroffenen davon, angegafft zu werden und drei Viertel (76 Prozent) fühlten sich von Mitmenschen nicht ernstgenommen. Eine Vielzahl der Betroffenen sah sich auch Beleidigungen34 und verbalen Angriffen ausgesetzt und fast zwei Drittel (63 Prozent) berichten von einem unfreiwilligen Outing durch andere Menschen. Viele LSBTTIQ* in Brandenburg fühlen sich aufgrund ihrer sexuellen Orientierung beziehungsweise geschlechtlichen Identität sozial isoliert: 68 Prozent erleben die Vermeidung von Kontakt und jede*r Zweite (50 Prozent) die Ausgrenzung aus einer sozialen Gruppe. Es sind insbesondere die älteren Befragten über 45 Jahren, die am häufigsten von einer solchen Ausgrenzung betroffen waren. Sie sind es auch, die deutlich häufiger (zu 50 Prozent) als Jüngere durch die Beschädigung oder den Diebstahl von Eigentum diskriminiert werden. Dafür sinkt mit steigendem Alter die Wahrscheinlichkeit (19 Prozent in den vergangenen fünf Jahren), körperliche Übergriffe wie Rempeln oder Grabschen ertragen zu müssen. Insgesamt hat jede*r Dritte (33 Prozent) bereits mindestens einmal körperliche Übergriffe in Form von Schlagen und Treten erlebt. Sieben Prozent der Betroffenen ist sexuelle Gewalt widerfahren. Diese Ergebnisse sprechen - auch angesichts der hohen Dunkelziffern (nur ein Bruchteil der Übergriffe gegen LSBTTIQ* wird angezeigt) - dafür, dass die tatsächliche Zahl der Übergriffe und Gewalttaten gegen LSBTTIQ* um ein Vielfaches höher liegt, als es die polizeilichen Anzeigestatistiken vermuten lassen.

Gefragt nach den Orten, an denen die Teilnehmer*innen Diskriminierung erfahren haben, ist die Familie der meist genannt Ort. Je jünger die Befragten, desto häufiger wurden die negativen Reaktionen in der Familie erlebt. Trans* haben in den vergangenen fünf Jahren zu 78 Prozent negative Erfahrungen innerhalb der Familie erlebt. Dies betraf auch etwa die Hälfte der Lesben und Bisexuellen. Die schwulen Befragten haben zu 28 Prozent Diskriminierung im Familienkreis erfahren.

Danach folgen die Lebensumfelder Öffentlichkeit sowie der Freizeitbereich. Während der Anteil der Lesben, Schwulen und Bisexuellen, die in den genannten Bereichen negative Erfahrungen gemacht haben, bei zwischen 30 und 40 Prozent liegt, wurden etwa zwei Drittel der Trans* an öffentlichen Orten und im Freizeitbereich diskriminiert. Generell gilt, dass Trans* wesentlich häufiger als alle anderen zu queeren Subkategorien gehörenden Befragten von negativen Reaktionen betroffen waren. Mit der Schule folgt auf Platz vier ein Ort, an denen LSBTTIQ* am häufigsten negative Reaktionen erfahren, ein Bereich, der deutlich in landespolitische Zuständigkeit fällt. Die genannten Bereiche werden in den folgenden Kapiteln näher beleuchtet.

Die folgende Übersicht zeigt zur weiteren Illustration einige der Antworten auf eine offene Frage zu den erlebten Diskriminierungserfahrungen:

  • "Alle als „regelmäßig" gekennzeichneten Aussagen außer „Gaffen" werden eher indirekt mir gegenüber geäußert, meint: Wenn es in Gesprächen um LSBTTIQMenschen geht, dann wird generell über alle abwertend und beleidigend, schon fast verbal gewalttätig gesprochen; doch selten auf mich persönlich bezogen. Das indirekte Sprechen darüber ist am schwierigsten zu greifen."
  • "Strukturelle Formen von Gewalt gehören zum meinem täglichen 'Programm', sehr massiv insbesondere bei Behörden, in Krankenhäusern, von Ärzt_innen, bei Gericht, seitens der Polizei (z.B. wurde eine Anzeige nach einem gewaltsamen Übergriff auf mich von dem Polizisten nicht aufgenommen und ich wurde allein zurückgelassen. Auch der Täter wurde nicht gesucht.)."
  • "Wenn ich sage, dass ich Lesbe bin, glauben die Leute immer sofort, zu wissen, wer ich bin oder warum ich bestimmte Dinge tue oder warum ich welche Entscheidungen treffe. So wurde mir vor kurzem bei einem Bewerbungsverfahren unterstellt, dass ich die Bewerberin, die mir als meine neue Kollegin am geeignetsten erschien, nur deshalb bevorzugen würde, weil sie - wie ich - auch lesbisch sei. Dabei war mein Auswahlkriterium rein fachlich."
  • "Das Gespräch über die Geschichte der [ermordeten] Homosexuellen [während des Nationalsozialismus] im Spezifischen fällt mehr als der Hälfte der jungen Menschen sehr schwer. Viele fühlen sich peinlich berührt, andere werden herablassend, wenn sie sich bspw. die Videoaufnahmen am Gedenkort anschauen usw."
  • "Ich war im Vorstand eines Vereins. Mir wurde unterstellt, ich würde mich gern unbeobachtet in der Nähe vom Kindergarten und Schulhof herumtreiben, um Kinder zu beobachten. Diese Beschuldigungen entbehren jeder Grundlage, [...] aber es wird hier auf dem Land mit Homosexualität assoziiert. Ich habe den Vorstand des Vereins verlassen, da wir auch eine Jugendgruppe haben, mit der ich aber gar nichts zu tun hatte. Ich habe den Rückzug angetreten, um gar nicht erst irgendwelche neuen Gerüchte diesbezüglich aufkommen zu lassen."
  • "Allein, dass ich ständig ein Geschlecht angeben muss bzw. dem weiblichen Geschlecht zugewiesen werde, ist eine negative Erfahrung für mich. Allein, dass meine Identität/Nicht-Identität für die meisten Leute nicht sichtbar ist, weil wir in ihrem Weltbild nicht vorkommen (oder nur als problematische Exoten), ist eine negative Erfahrung. Erst werde ich als Frau gelesen und dann auch noch als Hetera."
  • "Ich bin sicher, dass ich viele negative Reaktionen dadurch vermieden habe, dass ich mir meine sexuelle Identität nicht habe anmerken lassen! Ich gehe nicht öffentlich mit meiner Frau Hand in Hand. [...] Ich rede auf einer Versammlung über meine Frau, es gibt laute Nachfragen, großes Unverständnis, vereinzelt Lachen. Kollegin erzählt von ihrem Urlaub im Ausland, ich solle auch mal hinfahren. Sage, dass mir das in meiner Familienkonstellation zu gefährlich ist. Die Runde ist sich einig, ich solle mir das Lesbischsein einfach nicht anmerken lassen."

Offene Antworten auf die Fragen: "Haben Sie weitere negative Reaktionen erlebt, die in der vorangegangenen Frage nicht aufgeführt waren? Falls ja, beschreiben Sie diese bitte kurz." / "In welcher Situation haben Sie negative Reaktionen aufgrund Ihrer sexuellen Identität bzw. Ihrer Zugehörigkeit zu TTI*-Menschen erlebt?" / "Wenn Sie bei der vorangegangenen Frage angegeben haben, dass Sie negative Erfahrungen in Ämtern und Behörden oder im Freizeitbereich gemacht haben, schildern Sie bitte hier kurz, wo genau Sie diese Erfahrungen gemacht haben."

Wie sind diese ersten Befunde zur Diskriminierungserfahrungen in Brandenburg einzuordnen? Das Niveau der Diskriminierungserscheinungen in der Summe liegt in Brandenburg (48 Prozent von Diskriminierung Betroffene innerhalb der vergangenen fünf Jahre) minimal unter dem aus Baden-Württemberg berichteten Erfahrungen (54 Prozent).35 Die erlebten Diskriminierungsformen ähneln sich stark und werden von „Gaffen“, „nicht ernst genommen werden“ und „lächerlich gemacht werden“ angeführt. Eine der schwerwiegendsten negativen Erfahrungen, sexualisierte Gewalt, wird von sieben Prozent der befragten LSBTTIQ* im Land Brandenburg leicht häufiger berichtet als in Baden-Württemberg (5 Prozent).36 Wie die negativen Reaktionen in den verschiedenen öffentlichen, schulischen und beruflichen Umfeldern und Lebenssituationen ausfallen, werden die folgenden Kapitel erläutern.

 


33 Vgl. Lebenssituation von LSBTTIQ-Menschen in Baden-Württemberg, S. 21. In der Befragung des DJI wurde ebenfalls deutlich, dass die Jugendlichen, die in Großstädten leben, am häufigsten Diskriminierungserfahrungen gemacht haben. Dafür ist das Coming-out im ländlichen Raum eine größere Herausforderung. Vgl. Coming-out - und dann...?!, S. 29 und 20.
34 In einer aktuellen Befragung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zu den Diskriminierungserfahrungen anhand der sexuellen Orientierung (nicht geschlechtlichen Identität), die auf den Daten einer Ende 2015 durchgeführten Umfrage (über 18.000 Teilnehmer*innen) zu erlebten und beobachteten Diskriminierungserfahrungen beruhen, zeigen sich ähnliche Ergebnisse, wenn auch auf niedrigerem Niveau: Etwa ein Drittel der Befragten gab an, abwertende Witze ertragen zu müssen beziehungsweise unerwünschte sexualisierte Kommentare. Etwa 40 Prozent der Befragten erlebte Beleidigungen/Beschimpfungen oder dass ihnen Rechte, die andere Personen haben, nicht zugestanden wurden. Die am häufigsten genannte Diskriminierungsform war: „Menschen wie ich wurden herabwürdigend dargestellt" (53 Prozent). Vgl. Kalkum, Dorina; Otto, Magdalena (2017): Diskriminierungserfahrungen in Deutschland anhand der sexuellen Identität. Ergebnisse einer quantitativen Betroffenenbefragung und qualitativer Interviews. Hg. v. Antidiskriminierungsstelle des Bundes. S. 20. URL: http://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Downloads/DE/publikationen/Expertisen/Expertise_Diskrimerfahrungen_in_DE_anhand_der_sex_Identitaet.pdf?__blob=publicationFile&v=4.
35 Vgl. Lebenssituation von LSBTTIQ-Menschen in Baden-Württemberg, S. 20.
36 Vgl. ebd. S. 23.

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In einer heteronormativen Gesellschaft, in der LSBTTIQ* oftmals als andersartig wahrgenommen werden, stellt für viele Menschen ihr Coming-out eine einschneidende Lebensentscheidung und besondere Herausforderung dar. Manche Menschen warten deshalb viele Jahre, bis sie ihre sexuelle Orientierung beziehungsweise geschlechtliche Identität offen zeigen.

Wie sieht es unter den Befragten in Brandenburg aus? Der Vergleich zwischen verschiedenen Altersgruppen ergibt, dass im Laufe der Jahre die Zahl der queeren Brandenburger*innen, die sich geoutet haben, das heißt, die ihren Mitmenschen ihre sexuelle oder geschlechtliche Identität selbst offenbart haben, natürlicherweise steigt: Von den 16- bis 29-Jährigen sind 57 Prozent geoutet, die Befragten zwischen 30 und 45 Jahren sind es zu 77 und die über 45 Jährigen zu 85 Prozent. Im Umkehrschluss heißt dies aber auch, dass fast jede*r zweite Befragte unter 30 Gründe gegen und Sorge vor einem Outing hat, eine im Jahr 2017 noch überraschend hohe Zahl, die auch durch Befunde in Baden-Württemberg (40 Prozent der Befragten unter 30 sind nicht geoutet) gestützt wird.25

Die Umfrage zeigt auch, dass die lesbischen und schwulen Befragten zum überwiegenden Teil, nämlich zu jeweils etwa drei Vierteln, voll geoutet sind. Hingegen hat die Mehrheit der Trans* (54 Prozent) und Bisexuellen (59 Prozent) sich nur einem kleinen Teil der ihnen nahestehenden Menschen anvertraut. Dieselbe Beobachtung machten die Autor*innen der Umfrage in Baden-Württemberg.26

Etwa die Hälfte der Befragten in Brandenburg - unabhängig ihrer geschlechtlichen Identität oder sexuellen Orientierung - gibt an, dass sie unter 20 Jahre alt war, als sie sich das erste Mal gegenüber ihren Mitmenschen geöffnet hat.27 Schwule, Lesben und Bisexuelle sind bei ihrem Coming-out vergleichsweise jünger als die befragten Trans*. Es ist anzunehmen, dass das Coming-out für eine Trans*Person sehr viel schwieriger ist als für schwule, lesbische oder bisexuelle: Die Transition, die viele Trans* auf sich nehmen, führt unvermeidlich zu vielen Herausforderungen in allen Lebensbereichen. Zudem zeigt sich in der vorliegenden Online-Befragung für Brandenburg deutlich, dass Trans* tendenziell öfter von Diskriminierung betroffen sind - alles Gründe für ein späteres Coming-out.

Insgesamt zeigen 71 Prozent der Befragten ihre sexuelle Orientierung beziehungsweise geschlechtliche Identität offen. Der Stadt-Land-Vergleich in Brandenburg ergibt, dass Städter*innen etwas offener (75 Prozent) ihre lsbttiq*-Identität leben als queere Menschen, die im ländlichen Brandenburg wohnen (64 Prozent). Dieses Ergebnis ist absolut vergleichbar mit den Erkenntnissen aus Baden-Württemberg, wo die Sichtbarkeit ebenso mit zunehmender Wohnortgröße steigt und insgesamt 68 Prozent der baden-württembergischen LSBTTIQ*-Befragten offen leben.28 Im ebenso katholisch geprägten Rheinland-Pfalz scheint ein noch offenerer Umgang mit der eigenen sexuellen und geschlechtlichen Identität zu herrschen, da dort im Alltag 83 Prozent voll und ganz beziehungsweise weitgehend offen leben.29

Die Befragung zeigt auch, dass ein Coming-out keineswegs gleichzusetzen ist mit der Frage, wie offen man seine sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität im Alltag lebt. Immerhin jede*r vierte bis dritte schwule, lesbische und trans* Befragte zeigt sich nicht offen. Unter den Bisexuellen sind es sogar 41 Prozent - ein Hinweis darauf, dass Bisexualität im Alltag immer noch wenig sichtbar ist30 und in der politisch-gesellschaftlichen Diskussion oftmals neben Homo- und Transsexualität marginalisiert ist.

Die Gründe für das Verbergen der sexuellen Orientierung beziehungsweise einer Trans*Identität sind vielfältig und unterscheiden sich leicht je nach sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität. Die Hälfte der befragten Lesben in Brandenburg gibt an, dass sie ihre Orientierung nicht offen lebt, da sie gegen sie gerichtete negative Reaktionen befürchtet. Nur 17 Prozent der befragten Bisexuellen äußern derartige Ängste. Eher sorgen sich Bisexuelle um die ihnen nahestehenden Personen (mit 42 Prozent). Genauso viele stimmen der Aussage zu, dass ihre sexuelle Orientierung zu ihrer Privatsphäre gehöre. Dies bestätigen auch 44 Prozent der schwulen Befragten. Aber auch sie haben mit 41 Prozent die Befürchtung, das offene Bekenntnis zu ihrer sexuellen Orientierung mit Diskriminierung wie dem Verlust des Arbeitsplatzes zu bezahlen.31

Ein Viertel der Trans*-Personen behält aus Gründen der Privatsphäre ihre geschlechtliche Identität für sich, die restlichen befragten Trans* teilen sich in gleichen Teilen in die, die Angst vor eigenen negativen Erfahrungen und erwarteten negativen Konsequenzen für Freunde und Familie haben.

Der Vergleich nach Alter zeigt, dass mit zunehmendem Alter die Privatsphäre eine wichtige Komponente darstellt. Den 16- bis 29 Jährigen war sie zu 25 Prozent, den 30- bis 45-Jährigen zu 56 Prozent wichtig und ältere Befragte über 45 Jahre gaben zu 70 Prozent an, aus Gründen der Privatsphäre ihre sexuelle Orientierung beziehungsweise geschlechtliche Identität nicht offen zu leben.

Darüber hinaus geben die brandenburgischen Befragten auch in den offenen Antworten zur Frage, warum sie nicht offen leben, an, dass sie bereits Diskriminierungserfahrungen wie "Belustigung, Mitleid, Unverständnis" und "gerade im sozialen Umfeld" gemacht haben oder Angst davor haben, dass beispielsweise das "Kind im Kindergarten gemobbt wird". Dass diese Befürchtungen der LSBTTIQ* nicht unbegründet sind, offenbart sich auch in der aktuellen Befragung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) zur Einstellung der deutschen Bevölkerung gegenüber lesbischen, schwulen und bisexuellen Menschen in Deutschland. Etwa ein Viertel der repräsentativ Befragten gab an, dass sie es (eher/voll und ganz) unangemessen finden, wenn Menschen ihre Homosexualität öffentlich machen.32

 


25 Vgl. Lebenssituation von LSBTTIQ-Menschen in Baden-Württemberg, S. 19.
26 Vgl. Lebenssituation von LSBTTIQ-Menschen in Baden-Württemberg, S. 18. Hier sind es ebenfalls die bisexuellen Befragten, die prozentual am häufigsten gänzlich ungeoutet leben.
27 Die Befragung des Deutschen Jugendinstitut "Coming-out - und dann...?!" unter jugendlichen LSBTTIQ* zwischen 14 und 27 Jahren ermittelte ein durchschnittliches Alter für ein äußeres Outing unter Lesben, Schwulen, Bisexuellen und queeren Menschen von etwa 17 Jahren. Trans* und Genderqueere outen sich etwa anderthalb Jahre später. Während bei lesbischen, schwulen, bisexuellen oder queeren (in der Befragung "orientierungs*divers" genannten) Jugendlichen anderthalb bis drei Jahre zwischen dem inneren (Bewusstwerden der eigenen sexuellen Orientierung) und äußeren Coming-out liegen, dauert dies bei Trans* und genderqueeren (von den Autor*innen als gender*divers bezeichneten) Jugendlichen zwischen 3,5 und sieben Jahren. Vgl. Coming-out - und dann...?!, S. 15.
28 Vgl. Lebenssituation von LSBTTIQ-Menschen in Baden-Württemberg, S. 19.
29 Vgl. Lebenssituation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgender und Intersexuellen in Rheinland-Pfalz, S. 27.
30 Was zum Teil auch daran liegen mag, dass Bisexuelle, die aktuell in einer gemischtgeschlechtlichen Beziehung leben, ohne explizites beziehungsweise verbalisiertes Coming-out nicht als solche zu erkennen sind.

31 In der baden-württembergischen Befragung überwog mit 57 Prozent Zustimmung noch stärker die Angst vor negativen Reaktionen. Vgl. Lebenssituation von LSBTTIQ-Menschen in Baden-Württemberg, S. 19.
32 Vgl. Küpper, Beate; Klocke, Ulrich; Hoffmann, Lena-Carlotta (2017): Einstellungen gegenüber lesbischen, schwulen und bisexuellen Menschen in Deutschland. Ergebnisse einer bevölkerungsrepräsentativen Umfrage. Hg. v. Antidiskriminierungsstelle des Bundes. S. 58. URL: http://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Downloads/DE/publikationen/Umfragen/Umfrage_Einstellungen_geg_lesb_schwulen_und_bisex_Menschen_DE.pdf?__blob=publicationFile&v=2.

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Jeweils rund ein Drittel der Teilnehmer*innen geben als sexuelle Orientierung „schwul“ oder „lesbisch“ an. Jede*r Achte bezeichnet sich als „bisexuell“, zwei Prozent als „asexuell“, ein Prozent als „pansexuell“. Weitere vier Prozent können oder wollen sich bezüglich der eigenen sexuellen Orientierung nicht festlegen. Was die eigene geschlechtliche Identität anbelangt, geben zwölf Prozent (35 Befragte) transsexuell oder transgender an, zwei Personen geben inter* als ihre geschlechtliche Identität an.22

Damit sind die einzelnen Identitäten in der vorliegenden brandenburgischen Stichprobe deutlich ausgewogener und realistischer vertreten als in der baden-württembergischen sowie der rheinland-pfälzischen LSBTTIQ*-Befragung. In beiden Ländern stellten mit 46 Prozent schwule Männer fast die Hälfte der jeweiligen Befragten dar. Es muss also beim Vergleich der Ergebnisse zwischen diesen drei Studien immer berücksichtigt werden, dass das baden-württembergische und das rheinland-pfälzische Antwortverhalten überproportional stark von den Erfahrungen schwuler Männer geprägt ist.23

Lässt man die vergleichsweise kleine Zahl der pansexuellen Teilnehmer*innen außer Acht, bilden die bisexuellen und Trans*Personen die mit Abstand jüngste Gruppe: 38 Prozent der Trans*Befragten sind jünger als 25 Jahre, bei den Bisexuellen ist es sogar mehr als jede*r Zweite. Ebenfalls 53 Prozent der Befragten geben als ihr jetziges Geschlecht weiblich an, 41 Prozent männlich, drei Prozent bezeichnen ihr Geschlecht als unbestimmt und weitere drei Prozent machen weitere, spezifizierende Angaben.24

Da die Fallzahlen für eine detaillierte Auswertung zu gering sind, soll an dieser Stelle ein Schlaglicht auf die Antworten der 12 asexuellen. Befragten geworfen werden - einer Gruppe, die zunehmend mit mehr Aufmerksamkeit betrachtet wird: Asexuelle Befragte leben häufiger in der Stadt als auf dem Land, als die übrigen Befragten in Brandenburg. Vier von 35 Trans* (11 Prozent) und beide Inter*, die an der Befragung teilgenommen haben, sind asexuell. Nur drei von zwölf Asexuellen haben ihren Mitmenschen von ihrer asexuellen Lebensweise erzählt. Häufiger als die anderen Befragten (48 Prozent) haben Asexuelle in den vergangenen fünf Jahren negative Erfahrungen aufgrund ihrer Lebensweise machen müssen - zu zwei Dritteln (8 von 12). Die offenen Antworten der befragten Asexuellen machen deutlich, dass ihnen Unverständnis und Unwissen begegnet. Erlebnisse waren beispielsweise: "Angedrohte 'Korrektur' durch sexuelle Gewalt: 'Du musst nur mal richtig gebumst werden, dann willst Du es auch!'", oder: "Eine Person meinte zu mir, dass ich nicht asexuell sein kann, weil asexuelle Menschen keine Gefühle haben und Soziopathen sind. Eine andere Person meinte, dass Asexualität schrecklich und unmenschlich sei."

 


22 Da für den überwiegenden Großteil der Trans*Befragten nach eigenen Angaben ihre geschlechtliche Identität ausschlaggebend für die der Beantwortung ihrer Fragen zugrundeliegende Eigenschaft ist, wurden ihre Antworten unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung vorrangig als Trans*Antworten behandelt. Unter den befragten Trans* geben acht „schwul“ und vier „lesbisch“ als sexuelle Orientierung an. Sieben Trans* sind bisexuell, sechs asexuell, fünf pansexuell / queer, zwei sind heterosexuell und fünf Trans* möchten sich nicht festlegen.
23 Vgl. Lebenssituation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgender und Intersexuellen in Rheinland-Pfalz, S. 18 sowie Lebenssituation von LSBTTIQ-Menschen in Baden-Württemberg, S. 10.
24 Offene Nennungen: androgyn, beides, cis-Mann, demifem, genderqueer, genderqueere Frau, Mensch, asexuell, nonbinär, Trans*, trans*maskulin, Transgender, FTM.

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Vierzig Prozent der befragten LSBTTIQ* in Brandenburg verfügen über einen Hochschulabschluss, ein Viertel (25 Prozent) geben Fachhochschulreife beziehungsweise Abitur als höchsten Abschluss an. Etwa jede*r Fünfte verfügt über eine Berufsausbildung und zwölf Prozent haben die Mittlere Reife. In der Gruppe der über 26-Jährigen verfügt sogar mehr als die Hälfte (51 Prozent) über einen Hochschulabschluss. 14 Prozent der befragten Personen absolvieren zum Zeitpunkt der Befragung ein Hochschulstudium. Im Vergleich zur Bevölkerung verfügen die Teilnehmer*innen der Befragung also über eine überproportional hohe Ausbildung.

Ebenfalls erhoben wurde das Einkommen der Befragten. Die Gruppe mit dem durchschnittlich höchsten Einkommen bildet die Gruppe der schwulen Männer. Etwa jede*r Zweite (49 Prozent) verfügt hier über ein Nettomonatseinkommen von über 2.000€. Eine gender pay gap18 zwischen männlichen und weiblichen Berufstätigen in der gesamtdeutschen Bevölkerung bestätigt sich auch unter den LSBTTIQ* in Brandenburg. Mit 62 Prozent beziehungsweise 69 Prozent findet sich die Mehrheit der Trans* und bisexuellen Personen in der unteren Einkommensgruppe. Aus anderen Studien wissen wir, dass Trans* am Arbeitsplatz und auf dem Arbeitsmarkt generell schlechter gestellt sind als Cis-Personen, was zu einem entsprechend niedrigeren Einkommen beiträgt19

Die Verteilung der befragten LSBTTIQ* in Bezug auf einen Migrationshintergrund ist beinahe identisch mit dem der brandenburgischen Gesamtbevölkerung: Sechs Prozent der Befragten geben an, einen Migrationshintergrund zu besitzen – fünf Prozent sind es unter allen Brandenburg*innen.20 Mit 13 Prozent liegt dieser Wert in der jüngsten Altersgruppe (16-25 Jahre) am höchsten und nimmt mit zunehmendem Alter ab. Mit neun Prozent ist der Anteil der Befragten mit Migrationshintergrund unter den schwulen Teilnehmern am größten.

Nach der Religionszugehörigkeit befragt geben drei Viertel der Teilnehmenden (74 Prozent gegenüber 69 Prozent in der brandenburgischen Gesamtbevölkerung) an, konfessionslos zu sein. 20 Prozent nennen evangelisch als Religion, fünf Prozent katholisch. Damit weicht die Gruppe der befragten LSBTTIQ* insbesondere unter den Katholiken von der Gesamtbevölkerung ab, wo dieser mit zehn Prozent doppelt so hoch liegt. In Baden-Württemberg ist der Anteil der Befragten, die angaben, keiner Konfession anzugehören, mit 45 Prozent deutlich geringer.21 In Rheinland-Pfalz wurde die Religionszugehörigkeit nicht abgefragt.

 


18 Damit wird die Differenz zwischen dem Einkommen von Menschen unterschiedlichen Geschlechts bezeichnet.
19 Vgl. Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2017): "Out im Office?!" Erste Ergebnisse zur Arbeitssituation lesbischer, schwuler, bisexueller und Trans*-Beschäftigter in Deutschland. S. 13. URL: http://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Downloads/DE/publikationen/Umfragen/20170719_Umfrageergebnisse_Out_im_Office.pdf?__blob=publicationFile&v=2.
20 Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie des Landes Brandenburg (2016): Bericht „Daten, Fakten und Entwicklung zu Migration und Integration“. URL: http://www.masgf.brandenburg.de/cms/detail.php/bb1.c.447541.de.
21 Vgl. Lebenssituation von LSBTTIQ-Menschen in Baden-Württemberg, S. 16.

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Insgesamt nahmen 314 Personen an der Befragung teil14. Davon geben 229 Personen an, zum Befragungszeitpunkt in Brandenburg zu wohnen. Die übrigen 85 Personen haben Ihren Wohnort außerhalb Brandenburgs, halten sich nach eigener Auskunft aber oft in Brandenburg auf bzw. stammen von dort und sind mit der Situation von LSBTTIQ*in Brandenburg hinreichend vertraut.

Fast jede*r zweite Befragte (45 Prozent) lebt in einer Stadt mit mehr als 50.000 Einwohner*innen. Überraschenderweise wurde auch ein Großteil der diskriminierenden Erfahrungen, von denen in dieser Studie berichtet wird, in städtischen Gebieten gemacht und nicht, wie oftmals vermutet, im vermeintlich ländlichen Raum.

Das Befragten-Sample (Stichprobe) hat im Vergleich zur Gesamtbevölkerung Brandenburgs ein geringes Alter. Die Hälfte der Befragten (50 Prozent) ist jünger als 30 Jahre, 35 Prozent sind zwischen 30 und 45 Jahren und 15 Prozent der Befragten älter als 45 Jahre. Das niedrige Durchschnittsalter der Teilnehmer*innen15 weist zum einen auf deren Nähe zu Online-Befragungen hin, insbesondere wenn diese über social media verbreitet werden (Rekrutierungs-Bias/Verzerrung aufgrund der Ansprachemethode). Zum anderen sind jüngere Menschen eher bereit, gleichgeschlechtliche Erfahrungen zu berichten, sich als lesbisch, schwul, bi- oder transsexuell, transgender, inter* oder queer zu identifizieren und dies in Befragungen anzugeben, wie unter anderem in der Befragung des Office for National Statistics (2016)16 sowie in einer YouGov-Studie (2017)17 auch für Deutschland gezeigt wurde.

 


14 Durch Filterführungen im Fragebogen variiert die Anzahl der Befragten zwischen einzelnen Fragen. Aufgrund von Fragebogenabbrüchen sinkt die Gesamtanzahl der Antwortenden über den gesamten Fragebogen zudem zum Ende hin leicht.
15 Dies gleicht dem Alters-Bias in der baden-württembergischen und der rheinland-pfälzischen LSBTTIQ*-Befragung (jeweils 38 Prozent der Teilnehmenden unter 30 Jahre).
16 Office for National Statistics (2017): Sexual identity, UK: 2016. Experimental Official Statistics on sexual identity in the UK in 2016 by region, sex, age, marital status, ethnicity and National Statistics Socio-economic Classification. S. 7. URL: https://www.ons.gov.uk/peoplepopulationandcommunity/culturalidentity/sexuality/bulletins/sexualidentityuk/2016/pdf.
17 Vgl. Geißler, Holger, Drösser, Christoph (2017): Wir Deutschen & die Liebe: Wie wir lieben. Was wir lieben. Was uns erregt. Hamburg. Das Buch beruht auf repräsentativen Umfragen des Meinungsforschungsinstituts YouGov mit mehr als 12.000 Befragten.

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Bei der Konzeption des Frageinstrumentariums wurden die Fragebögen zweier ähnlich angelegter Studien aus Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg als Referenzstudien herangezogen. Diese ebenfalls im Kontext von Landesaktionsplänen gegen Homo- und Transphobie konzipierten Fragenkomplexe und Frage-Antwort-Formulierungen wurden in großen Teilen für die vorliegende Befragung repliziert. Zudem wurde ein Fragebereich aus der Studie "Coming-out - und dann...?! Coming-out-Verläufe und Diskriminierungserfahrungen von lesbischen, schwulen, bisexuellen und trans* Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland"10 des Deutschen Jugendinstituts (DJI) hinzugenommen. Da nur vereinzelt Anpassungen in der Frageführung und wenigen Item-Formulierungen vorgenommen wurden, sind die Antworten der vorliegenden brandenburgischen Studie in hohem Maße mit den Befunden aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz vergleichbar.11 Wo möglich und sinnvoll, werden diese Benchmark-Daten12 daher im Ergebnisteil herangezogen, um allgemein gültige Ergebnisse beziehungsweise landesspezifische Herausforderungen identifizieren und einordnen zu können.

Der Fragebogenaufbau orientierte sich zweitens an den Handlungsfeldern, die im Rahmen des „Aktionsplans Queeres Brandenburg“ gemäß dem Landtagsbeschluss vom 9. Juni 2016 diskutiert und aufgearbeitet werden sollten. Um evidenzbasierte beziehungsweise empirische Hinweise für politische Entscheidungen geben zu können, decken die abgefragten Handlungsfelder diejenigen Themen ab, die im Erarbeitungsprozess des Aktionsplans eine Rolle spielten. In einem ersten Teil wurden zunächst allgemeine Fragen zum Wohnort, zur sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität sowie zu Diskriminierungserfahrungen als LSBTTIQ* gestellt. Anschließend folgten Fragen zu speziellen Themenfeldern und offene Eingabemöglichkeiten für konkret erlebte Diskriminierungssituationen. Der Fragebogen endete mit der offenen Eingabemöglichkeit für Maßnahmenvorschläge und Handlungsprioritäten im Rahmen des „Aktionsplans Queeres Brandenburg“. Folgende Einzelthemen wurden abgefragt:

  • Selbstidentifikation,
  • Akzeptanz und gleiche Rechte,
  • Gleichberechtigt leben und aufwachsen als LSBTTIQ*,
  • Institutionelle Bildung und Qualifizierung für mehr Gleichstellung,
  • Sensibilisierung für eine tolerante und gleichberechtigte Gesellschaft,
  • Diskriminierungsfreie Arbeitswelt,
  • Schutz und Gleichstellung in der Arbeit von Polizei und Justiz,
  • Weiterentwicklung von Strukturen und Abbau von Barrieren für Trans* und Inter*, 
  • Ausblick, Erwartungen, Verbesserungsvorschläge,
  • Soziodemografie.

Die Studienteilnehmer*innen hatten in jedem Abschnitt des Fragebogens die Möglichkeit, ihre Erfahrungen und Eindrücke auch in eigenen Worten zu schildern. Diese offenen Antworten13 illustrieren spezifische Diskriminierungssituationen, die exemplarisch für noch bestehende Benachteiligungen von und erlebte Vorurteile gegenüber LSBTTIQ* in Brandenburg stehen.

Bei der Konzeption des Fragebogens wurde auf Objektivität, Reliabilität (Zuverlässigkeit) und Validität (Gültigkeit) geachtet. Um Missverständnissen und Schwierigkeiten bei der Beantwortung vorzubeugen, wurde dieser in einer Pretest-Phase im April 2017 Repräsentant*innen der Zielgruppe, den Vertreter*innen der brandenburgischen LSBTTIQ*-Verbände sowie der Landesgleichstellungsbeauftragten zur Kommentierung vorgelegt, u.a. im Verlauf einer Veranstaltung im April 2017. Ihr Feedback ist in die finale Version des Fragebogens eingeflossen, ohne die Vergleichbarkeit zu den genannten Referenzstudien zu stark einzuschränken.

Es entstand damit ein ausführlicher, anonymer und standardisierter Fragebogen, der online auszufüllen war. Er enthielt offene und geschlossene wie auch Hybridfragen (Kombination aus offener und geschlossener Frage). Die Absicht, so viel wie möglich über die Zielgruppe der Befragung herauszufinden, überwog die Vorbehalte gegenüber einer hohen Abbruchquote aufgrund der Fragebogenlänge. Das Ausfüllen des Fragebogens in Gänze benötigte etwa dreißig Minuten Zeit.

 


10 Krell, Claudia; Oldermeier, Kerstin (2015): Coming-out – und dann…?! Ein Forschungsprojekt des Deutschen Jugendinstituts zur Lebenssituation von lesbischen, schwulen, bisexuellen und trans*Jugendlichen und jungen Erwachsenen. URL: http://www.dji.de/fileadmin/user_upload/bibs2015/DJI_Broschuere_ComingOut.pdf.
11 Die Vergleichbarkeit der Ergebnisse wird allerdings durch unterschiedliche Verteilungen der LSBTTIQ*-Subgruppen in den Stichproben und die Tatsache, dass in Rheinland-Pfalz allgemein nach Diskriminierungserfahrungen und in der vorliegenden Untersuchung sowie in Baden-Württemberg nach den Erfahrungen der vergangenen fünf Jahre eingeschränkt. Siehe dazu auch das folgende Kapitel.
12 Der Begriff Benchmark bezeichnet eine Vergleichsgröße, bspw. Vergleichsgruppen an Befragten oder Daten.

13 Etwaige Rechtschreibfehler in diesen Antworten wurden durch das Autoren-Team grundsätzlich korrigiert, ohne dies in jedem Einzelfall kenntlich zu machen.

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Zur Zielgruppe der Befragung gehörten ausschließlich lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, inter* und queere Menschen, die in Brandenburg ihren Lebensschwerpunkt7 haben und zum Zeitpunkt der Befragung mindestens 16 Jahre alt waren. Daher wurden sowohl Teilnehmer*innen aus anderen Bundesländern ohne häufigen Aufenthalt im Land Brandenburg (n=95) sowie jene, die gleichzeitig heterosexuell und cisgeschlechtlich sind (n=22), nach den entsprechenden Filterfragen ausgescreent und für die Ergebnisauswertung nicht weiter berücksichtigt. Die diesem Bericht zugrunde liegende Befragtenzahl beträgt 314. Von diesen hat nicht jede*r Teilnehmende jede Frage beantwortet8 , daher sind die pro Frage variierenden Fallzahlen jeweils in den Grafiken vermerkt. Angeklickt wurde der Befragungsbogen von wesentlich mehr Personen. Als Teilnehmer*in zählen wir aber nur solche, die über die soziodemografischen Einleitungsfragen hinaus mindestens die erste inhaltlich-thematische Frage ausgefüllt haben.

Die Studie erhebt keinen Anspruch auf Repräsentativität, sondern soll als eine erste standardisierte Befragung (sogenannte „Dunkelfeldstudie“, „Zielgruppenstudie“ bzw. „Betroffenenbefragung“) grundlegende Erkenntnisse über ausgewählte Aspekte der Lebenssituation von LSBTTIQ* in Brandenburg liefern. Die Bestimmung eines repräsentativen Meinungsbildes aller LSBTTIQ* im Land ist schon deswegen nicht möglich, da die sexuelle und geschlechtliche Orientierung der Landesbürger*innen nicht staatlich erfasst wird. Somit sind weder die Anzahl, noch die Kontaktdaten, noch die soziodemografischen Merkmale queerer Brandenburger*innen bekannt. Es ist folglich nicht möglich, eine repräsentative Teilmenge per Zufallsziehung (beispielsweise jede*r 20. LSBTTIQ* in Brandenburg) oder per Quotierung (beispielsweise nach Altersgruppen oder Sozialstatus) vorzunehmen9.

Die Befragung wurde über die Projekt-Website des „Aktionsplans Queeres Brandenburg“, die Websites und Kanäle des MASGF, eine Online-Kampagne der Brandenburgischen Landesgleichstellungsbeauftragten sowie über Flyer und persönliche Kommunikation innerhalb der Community bekannt gemacht. Die Auswahl der Studienteilnehmer*innen erfolgte durch Selbstrekrutierung. Deshalb kann von einer hohen Validität und Relevanz der gewonnenen Ergebnisse, bei gleichzeitiger Qualitätssicherung durch Filterfragen und Plausibilitätsprüfung durch das Forschungsteam, ausgegangen werden.

Der Online-Zugang wurde aus folgenden forschungspragmatischen und zielgruppenspezifischen Gründen gewählt:

  • um mit machbarem Aufwand möglichst viele in Brandenburg lebende LSBTTIQ* zu erreichen und die selbstrekrutierende Weiterleitung des Befragungslinks zu ermöglichen,
  • um im Flächenland Brandenburg auch eine Teilnahme fernab der größeren Städte zu ermöglichen,
  • um eine anonyme Beantwortung der Fragen möglich zu machen, so dass auch nichtgeoutete Menschen teilnehmen konnten.


7 Neben den in Brandenburg wohnhaften Menschen wurden auch Antworten solcher Teilnehmer*innen als valide angesehen, die sich häufig im Land Brandenburg aufhalten und somit über die während ihrer Aufenthalte erlebten diskriminierenden Erfahrungen Auskunft geben können.
8 Die Gründe: Filterführung und möglicher Befragungsabbruch.
9 Vgl. Diekmann, Andreas (2005): Empirische Sozialforschung. Grundlagen, Methoden, Anwendungen. Rowohlt Verlag, S. 328.

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Die vorliegende Studie untersucht Alltags- sowie Diskriminierungserfahrungen von LSBTTIQ* - Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans*, inter* und queeren Menschen in Brandenburg. Sie wurde vom Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie des Landes Brandenburg (MASGF) in Auftrag gegeben. Ihr Ziel ist es, die bestehenden Wissenslücken über den Alltag von LSBTTIQ* im Land zu schließen und der Brandenburgischen Landesregierung den Herausforderungen und Problemen von LSBTTIQ* in Brandenburg aufzuzeigen und Handlungen dazu ableiten zu können. Die Untersuchung wurde nach einer öffentlichen Ausschreibung an die Wissenschaftler*innen von Change Centre Consulting vergeben. Die Online-Erhebung wurde in enger Abstimmung mit dem Ministerium von April bis Juni 2017 durchgeführt.

Als erstes Bundesland hat Brandenburg bereits 1992 ein Diskriminierungsverbot aufgrund der sexuellen Orientierung in seine Landesverfassung aufgenommen. Seitdem hat das Land immer wieder Zeichen gegen Benachteiligung und Diskriminierung geschlechtlicher und sexueller Vielfalt gesetzt, beispielsweise durch die Unterstützung von Projekten der Community wie der Landeskoordinierungsstelle für LesBiSchwule & Trans* Belange des Landes Brandenburg (LKS) oder Veranstaltungen mit LSBTTIQ*. Trotz der vielen engagierten Menschen, die sich für mehr Akzeptanz vielfältiger Lebensweisen in den Städten wie im ländlichen Raum Brandenburgs einsetzen, gibt es allerdings nach wie vor Vorurteile gegenüber nicht heterosexuell lebenden Menschen sowie gegenüber Trans* und Inter*. Deshalb hat der brandenburgische Landtag im Juni 2016 die Erarbeitung eines „Aktionsplan für Akzeptanz von geschlechtlicher und sexueller Vielfalt, für Selbstbestimmung und gegen Homo- und Transphobie in Brandenburg“ beschlossen. Damit soll einem „positiven gesellschaftlichen Wandel hin zu Akzeptanz, Respekt, Wertschätzung und vor allem Dialog“ Vorschub geleistet werden. Folgende Ziele stehen dabei im Vordergrund:

  • Förderung und Stärkung von Bildung und Aufklärung zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt,
  • Förderung des öffentlichen Dialogs und respektvollen Miteinanders mit LSBTTIQ*,
  • Unterstützung und Verstetigung von Selbsthilfestrukturen zur nachhaltigen Verbesserung der Lebenssituation von LSBTTIQ*,
  • Maßnahmen zur Kompetenzentwicklung von bestehenden Familienberatungsangeboten für die Belange von Regenbogenfamilien,
  • Erweiterung des Gender-Mainstreaming-Ansatzes beziehungsweise des Diversity Managements in der Verwaltung um die LSBTTIQ*-Perspektive,
  • wirksame Bekämpfung von Diskriminierung, Gewalt und vorurteilsmotivierter Kriminalität.


Damit der Aktionsplan eine breite gesellschaftliche Akzeptanz erreicht, wurde er im Verlauf des Jahres 2017 in einem partizipativen Prozess gemeinsam mit der LSBTTIQ*-Community, den aktiven Verbänden und der Zivilgesellschaft in Brandenburg entwickelt. Mittels einer Online-Dialogplattform konnten Vorschläge für den Maßnahmenplan gesammelt werden, welche in drei regionalen (in Potsdam, Cottbus und Prenzlau) und einer zentralen Veranstaltung in Potsdam diskutiert werden konnten und ebenfalls neue Maßnahme erarbeitet wurden.

Im Erarbeitungsprozess war auch eine begleitende Online-Befragung vorgesehen. Sie sollte ausgewählte Befunde zur Lebenssituation von LSBTTIQ* in Brandenburg erbringen. In der Umfrage bekamen die Befragten durch offene Fragen die Möglichkeit, ihre Erfahrungen innerhalb eines umfassenden Fragenkatalogs darzulegen. Das Frageinstrumentarium orientierte sich eng an dem von vergleichbaren Befragungen aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz – auch um zu prüfen, ob Vergleichbarkeiten oder Besonderheiten sichtbar gemacht werden können.

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Der vorliegende Ergebnisbericht der Online-Umfrage zur Lebenssituation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans*, Inter* und queeren Menschen (LSBTTIQ*) in Brandenburg entstand parallel zur Erarbeitung des „Aktionsplans Queeres Brandenburg". Die Befragung, die von April bis Juni 2017 durchgeführt wurde, kann als Datengrundlage zur Veranschaulichung der Lebensrealität von LSBTTIQ* in Brandenburg dienen.

Teilnehmende LSBTTIQ*

Die Studie greift auf die Antworten von 314 in Brandenburg lebenden LSBTTIQ* zurück. Darunter sind etwa ein Drittel Lesben, ein weiteres Drittel Schwule, etwa ein Achtel Bisexuelle und ebenso viele Trans*.3 Darüber hinaus konnte die Studie Antworten von zwölf asexuellen, acht pansexuellen und zwei intergeschlechtlichen Menschen gewinnen. Dazu kommen Menschen, die sich nicht festlegen können oder wollen (18 Personen). Die ausgewogene Verteilung der Befragten ließ es zu, quantitative Unterschiede zwischen den vier größeren „Gruppen" Lesben, Schwule, Bisexuelle und Trans* herauszuarbeiten.

Zur Stichprobe

Etwa zwei Drittel der Befragten leben in Städten (über 20.000 Einwohner*innen), ein Drittel lebt im ländlichen Raum. Knapp die Hälfte ist noch keine 30 Jahre alt, 35 Prozent zwischen 30 und 45 Jahre und 15 Prozent der Umfrageteilnehmer*innen haben bereits das Alter von 45 Jahren4 überschritten.

Erfahrungen mit Diskriminierung

Von den Befragten hat etwa die Hälfte (48 Prozent) in den vergangenen fünf Jahren negative Erfahrungen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung beziehungsweise geschlechtlichen Identität gemacht. Das heißt, dass jede*r Zweite von Diskriminierung betroffen ist oder war. Besonders häufig von Diskriminierung betroffen sind Trans*Personen - drei von vier berichten über negative Erlebnisse in den vergangenen fünf Jahren. Etwas mehr als die Hälfte der Lesben, 41 Prozent der Schwulen und zirka ein Drittel der Bisexuellen waren ebenfalls mit negativen Reaktionen wie Benachteiligung, Ablehnung oder Ausgrenzung konfrontiert. Zu den häufigsten Diskriminierungsformen zählen Gaffen, die Erfahrung, nicht ernstgenommen zu werden oder Beleidigungen und verbale Angriffe, aber auch das lächerlich Machen, herabsetzende Sprüche oder das Vermeiden von Kontakt. Gefragt nach den Orten, an denen die Teilnehmer*innen Diskriminierung erfahren haben, wird die Familie von den meisten genannt, gefolgt von der Öffentlichkeit, dem Freizeitbereich und der Schule. Die Kernergebnisse im Einzelnen:

Familie

Weit mehr als die Hälfte der Befragten gibt an, dass ihre sexuelle Orientierung beziehungsweise geschlechtliche Identität im Familienkreis positiv aufgenommen wurde. Dennoch machte mehr als ein Drittel der Befragten die Erfahrung, dass ihre sexuelle Orientierung beziehungsweise geschlechtliche Identität im Alltag nicht mitgedacht, nicht ernst genommen oder absichtlich ignoriert wurde. Der Anteil der Trans*Befragten, auf die die Feststellung zutrifft, ist hier fast doppelt so hoch im Vergleich zu lesbischen, schwulen und bisexuellen Befragten.

Freizeit

Im Schnitt waren in den vergangenen fünf Jahren etwa zwanzig Prozent der Befragten von negativen Reaktionen im Freizeitbereich betroffen. Trans*Befragte wurden auch hier häufiger diskriminiert (35 Prozent). Sie sind es, zusammen mit den schwulen Befragten, die am häufigsten mit Diskriminierungen zum Beispiel im Sport zu kämpfen haben.

Schule

Gut ein Drittel der Befragten haben innerhalb der vergangenen fünf Jahre negative Erfahrungen in der Schule gemacht. Dabei kamen ihnen nur in zwei von drei erlebten Diskriminierungssituationen Lehrpersonal und/oder Mitschüler*innen zu Hilfe. Besonders betroffen sind erneut Trans*Personen. Von diesen geben zwei Drittel an, diskriminierende Schulerfahrungen gemacht zu haben.

Arbeitswelt

Die Ergebnisse zeigen, dass es am Arbeitsplatz nach wie vor zu Benachteiligungen von LSBTTIQ* kommt: Von Diskriminierungserfahrungen am Arbeitsplatz berichten die berufstätigen Befragten sowohl im Öffentlichen Dienst (23 Prozent), wie auch noch stärker in der freien Wirtschaft (32 Prozent). Die Studie zeigt auch: Eine gute Mehrheit der Brandenburger Befragten berichtet nicht von erlebten Benachteiligungen den letzten Jahren.

Gesundheit

Befragte, die bereits Erfahrungen in medizinischen, therapeutischen, pflegerischen und/oder betreuerischen Lebensbereichen gemacht haben, geben zu über 90 Prozent an, dass ihnen mit Respekt begegnet wurde. Aber weniger als die Hälfte fühlte sich bei ihren besonderen Anliegen aufgrund der sexuellen Orientierung beziehungsweise geschlechtlichen Identität kompetent informiert und beraten.

Polizei/Justiz

Jede*r sechste LSBTTIQ*-Befragte hat in Brandenburg nach eigenen Angaben innerhalb der vergangenen fünf Jahre Erfahrungen mit Verbrechen oder Gewalt aufgrund der eigenen sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität erlebt, sei es physische, psychische oder sexuelle Gewalt. Bei lesbischen, schwulen und bisexuellen Befragten liegt die Gewaltexposition, also die Häufigkeit der Gewalterfahrung, auf vergleichbarem Niveau zwischen 13 Prozent und zehn Prozent der Befragten. Von Trans* ist dagegen jede*r Zweite mit Verbrechen und Übergriffen auf die eigene Person konfrontiert gewesen. Die Anzeigebereitschaft von LSBTTIQ* ist mit 32 Prozent der berichteten Übergriffe sehr niedrig.

Selbsthilfestrukturen

Den befragten LSBTTIQ* sind folgende Beratungs- und Hilfsangebote aus der brandenburgischen Selbsthilfelandschaft besonders wichtig: Coming-out-Beratung, Beratung in Fällen von Benachteiligung, Ablehnung und Ausgrenzung sowie Rechtsberatung.

Dank an die Beteiligten

Mit 314 Befragten bietet die Betroffenenbefragung eine belastbare Datengrundlage zur Diskriminierungssituation gerade jüngerer LSBTTIQ* in Brandenburg, die an vielen Stellen mit den Ergebnissen ähnlicher Online-Erhebungen in Baden-Württemberg5 und Rheinland-Pfalz6 vergleichbar ist. Wir danken allen, die an der Online-Befragung zur Lebenssituation von LSBTTIQ* in Brandenburg teilgenommen und ihre persönlichen Erfahrungen mitgeteilt haben. So konnte eine erste Datengrundlage entstehen, um Lebenssituationen und Alltagserfahrungen darzustellen sowie vorhandene Diskriminierung zu erkennen und geeignete Schritte einzuleiten. Des Weiteren danken wir den Ansprechpartner*innen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg für die zur Verfügung gestellten Informationen und Unterlagen aus den dort bereits durchgeführten Befragungen. Dadurch war der Rückgriff auf ein bereits in der Praxis erprobtes Fragebogendesign möglich und die Ergebnisse der Befragung im Land Brandenburg konnten mit Erkenntnissen aus den dortigen Erhebungen verglichen werden.


3 Mit einer PR-Kampagne, wie es sie in Baden-Württemberg zur Bewerbung der dortigen Studie gab, hätte man auch in Brandenburg noch mehr potentielle Teilnehmende aus der Zielgruppe erreichen können. Dennoch ist die Teilnehmerzahl, prozentual an der Bevölkerung der Bundesländer gemessen, stark vergleichbar und bildet daher auch vor dem Erfahrungshintergrund bisheriger Betroffenenbefragungen eine gute Basis.
4 Damit weist die Stichrobe ein sehr junges Durchschnittsalter auf. Es ist aufgrund der geringen Fallzahlen in den höheren Alterskategorien nicht sinnvoll, die über 45-Jährigen weiter zu differenzieren.
Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren Baden-Württemberg (2014): Onlinebefragung zur Lebenssituation von LSBTTIQ-Menschen in Baden-Württemberg. URL: https://sozialministerium.badenwuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/msm/intern/downloads/Downloads_Offenheit_und_Akzeptanz/Onlinebefragung_Aktionsplan_Akzeptanz_2014.pdf.
6 Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen des Landes Rheinland-Pfalz (2013): Lebenssituation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgender und Intersexuellen in Rheinland-Pfalz. Auswertungsbericht zur Online-Befragung von Juni bis Oktober 2013. URL: mifkjf.rlp.de/fileadmin/mifkjf/Familie/Gleichgeschlechtliche_Lebensweisen/RLP_unterm_Regenbogen/Langfassung.pdf.

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Liebe Leser*innen,

als sich der Brandenburgische Landtag im Sommer 2016 mit deutlicher Mehrheit für einen „Aktionsplan für Akzeptanz von geschlechtlicher und sexueller Vielfalt, für Selbstbestimmung und gegen Homo- und Transphobie in Brandenburg" aussprach, haben wir uns als Landesregierung Brandenburg gefragt: Was wissen wir über die Gewalt gegen und die Diskriminierung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans*, inter* sowie queeren (LSBTTIQ*) Brandenburger*innen? Welche Herausforderungen bestimmen ihren Alltag? Welche Erfahrungen machen sie beispielsweise in den Schulen, in den Unternehmen oder den Pflegeeinrichtungen des Landes, welche im kulturellen und im Freizeitbereich?

Ermutigend fand ich in diesem Zusammenhang ein Ergebnis aus der Ende 2015 veröffentlichten Studie „Queeres Deutschland 2015“1 . Sie deutet auf ein hohes Maß an Offenheit in der Bevölkerung gegenüber den unterschiedlichen Lebensweisen, sexuellen Orientierungen und Präferenzen hin: Eine Teilauswertung der repräsentativen Studie zeigt, dass es siebzig Prozent der befragten Brandenburger*innen begrüßen würden, wenn bei ihnen nebenan ein schwules oder lesbisches Paar einziehen würde. Mit dieser Zustimmungsquote landete Brandenburg bundesweit auf Rang eins. Die Mehrheit der bei uns lebenden Menschen hat eine tolerante Grundhaltung. Das darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass schwule, lesbische oder etwa Trans*Menschen im Alltag auch heute noch Vorurteilen, Intoleranz und Unkenntnis begegnen. Aber in welchem Maße diese Diskriminierungserfahrungen im Land gemacht werden, das war bislang unklar und wird durch die vorliegende Studie nun erstmals beleuchtet.

Aus einer aktuellen Befragung des Berliner Marktforschungsinstituts Dalia ging hervor, dass sich in Deutschland 7,4 Prozent der befragten Personen als lesbisch, schwul, bisexuell oder trans* bezeichnen.2 Auf Brandenburg bezogen wären das etwa 185.000 Menschen. Die vorliegende Studie hat speziell diese Gruppe angesprochen, um ein möglichst genaues Bild der Lebensrealität von LSBTTIQ* zeichnen zu können. Die Erkenntnisse aus der Studie sollen der Landesregierung und engagierten Akteur*innen als empirische Grundlage dienen, um geeignete Maßnahmen auf den Weg zu bringen, die bestehenden Diskriminierungen zu bekämpfen und Brandenburg noch bunter zu machen.

Denn die Antworten zeigen: Es besteht nach wie vor Handlungsbedarf – sei es beim Verhalten auf den Schulhöfen, bei der Verstetigung der Selbsthilfestrukturen oder bei der Anzeigebereitschaft von Übergriffen auf LSBTTIQ*. Die Landesregierung wird daher den Dialog mit der Zivilgesellschaft fortführen und ihre Aktivitäten auch unter Beachtung der vorliegenden Ergebnisse weiterentwickeln.

Ich bin fest davon überzeugt: Eine offene, diskriminierungsfreie und vielfältige Gesellschaft macht unser Zusammenleben im Land für alle Bürger*innen lebenswerter. Das lohnt unseren Einsatz und das Engagement vieler in diesem Bereich ehrenamtlich engagierter Bürger*innen.

Diana Golze
Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie des Landes Brandenburg


1 Change Centre Foundation (2015): Queeres Deutschland 2015. Zwischen Wertschätzung und Vorbehalten. Meerbusch. S. 13.
2 Vgl. Dalia Research (2016): LGBT Population in Europe. S. 1. URL: https://daliaresearch.com/wp-content/uploads/2016/11/2016-12-10_pressrel_LGBT.pdf

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

1. Einleitung

2. Methodik 
2.1. Zielgruppe und Ansprache der Teilnehmer*innen
2.2 Entwicklung und Aufbau der Befragung

3. Soziodemografie
3.1 Wohnort und Alter
3.2 Bildung, Einkommen und Religion

4. Geschlechtliche Identität und sexuelle Orientierung
4.1 Verteilung geschlechtliche Identitäten und sexuelle Orientierung der Teilnehmer*innen
4.2 Coming-out / Verbergen der eigenen geschlechtlichen Identität beziehungsweise sexuellen Orientierung

5. Häufigkeit von Diskriminierungserfahrungen unter LSBTTIQ* in Brandenburg

6. Diskriminierungserfahrungen in verschiedenen Lebensbereichen
6.1 Familie und Freundeskreis
6.2 Bildung
6.3 Arbeitswelt
6.4 Gesundheit und Pflege
6.5 Gesellschaftliche Teilhabe, Freizeit und Kultur
6.6 Polizei und Justiz

7. Bewertung der Ergebnisse und Handlungsbedarf

Glossar

Literaturverzeichnis

Impressum

Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie des Landes Brandenburg
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Henning-von-Tresckow-Straße 2-13
14467 Potsdam

www.masgf.brandenburg.de

Durchführung der Studie:
Change Centre Consulting GmbH

Januar 2018

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