In einer heteronormativen Gesellschaft, in der LSBTTIQ* oftmals als andersartig wahrgenommen werden, stellt für viele Menschen ihr Coming-out eine einschneidende Lebensentscheidung und besondere Herausforderung dar. Manche Menschen warten deshalb viele Jahre, bis sie ihre sexuelle Orientierung beziehungsweise geschlechtliche Identität offen zeigen.

Wie sieht es unter den Befragten in Brandenburg aus? Der Vergleich zwischen verschiedenen Altersgruppen ergibt, dass im Laufe der Jahre die Zahl der queeren Brandenburger*innen, die sich geoutet haben, das heißt, die ihren Mitmenschen ihre sexuelle oder geschlechtliche Identität selbst offenbart haben, natürlicherweise steigt: Von den 16- bis 29-Jährigen sind 57 Prozent geoutet, die Befragten zwischen 30 und 45 Jahren sind es zu 77 und die über 45 Jährigen zu 85 Prozent. Im Umkehrschluss heißt dies aber auch, dass fast jede*r zweite Befragte unter 30 Gründe gegen und Sorge vor einem Outing hat, eine im Jahr 2017 noch überraschend hohe Zahl, die auch durch Befunde in Baden-Württemberg (40 Prozent der Befragten unter 30 sind nicht geoutet) gestützt wird.25

Die Umfrage zeigt auch, dass die lesbischen und schwulen Befragten zum überwiegenden Teil, nämlich zu jeweils etwa drei Vierteln, voll geoutet sind. Hingegen hat die Mehrheit der Trans* (54 Prozent) und Bisexuellen (59 Prozent) sich nur einem kleinen Teil der ihnen nahestehenden Menschen anvertraut. Dieselbe Beobachtung machten die Autor*innen der Umfrage in Baden-Württemberg.26

Etwa die Hälfte der Befragten in Brandenburg - unabhängig ihrer geschlechtlichen Identität oder sexuellen Orientierung - gibt an, dass sie unter 20 Jahre alt war, als sie sich das erste Mal gegenüber ihren Mitmenschen geöffnet hat.27 Schwule, Lesben und Bisexuelle sind bei ihrem Coming-out vergleichsweise jünger als die befragten Trans*. Es ist anzunehmen, dass das Coming-out für eine Trans*Person sehr viel schwieriger ist als für schwule, lesbische oder bisexuelle: Die Transition, die viele Trans* auf sich nehmen, führt unvermeidlich zu vielen Herausforderungen in allen Lebensbereichen. Zudem zeigt sich in der vorliegenden Online-Befragung für Brandenburg deutlich, dass Trans* tendenziell öfter von Diskriminierung betroffen sind - alles Gründe für ein späteres Coming-out.

Insgesamt zeigen 71 Prozent der Befragten ihre sexuelle Orientierung beziehungsweise geschlechtliche Identität offen. Der Stadt-Land-Vergleich in Brandenburg ergibt, dass Städter*innen etwas offener (75 Prozent) ihre lsbttiq*-Identität leben als queere Menschen, die im ländlichen Brandenburg wohnen (64 Prozent). Dieses Ergebnis ist absolut vergleichbar mit den Erkenntnissen aus Baden-Württemberg, wo die Sichtbarkeit ebenso mit zunehmender Wohnortgröße steigt und insgesamt 68 Prozent der baden-württembergischen LSBTTIQ*-Befragten offen leben.28 Im ebenso katholisch geprägten Rheinland-Pfalz scheint ein noch offenerer Umgang mit der eigenen sexuellen und geschlechtlichen Identität zu herrschen, da dort im Alltag 83 Prozent voll und ganz beziehungsweise weitgehend offen leben.29

Die Befragung zeigt auch, dass ein Coming-out keineswegs gleichzusetzen ist mit der Frage, wie offen man seine sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität im Alltag lebt. Immerhin jede*r vierte bis dritte schwule, lesbische und trans* Befragte zeigt sich nicht offen. Unter den Bisexuellen sind es sogar 41 Prozent - ein Hinweis darauf, dass Bisexualität im Alltag immer noch wenig sichtbar ist30 und in der politisch-gesellschaftlichen Diskussion oftmals neben Homo- und Transsexualität marginalisiert ist.

Die Gründe für das Verbergen der sexuellen Orientierung beziehungsweise einer Trans*Identität sind vielfältig und unterscheiden sich leicht je nach sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität. Die Hälfte der befragten Lesben in Brandenburg gibt an, dass sie ihre Orientierung nicht offen lebt, da sie gegen sie gerichtete negative Reaktionen befürchtet. Nur 17 Prozent der befragten Bisexuellen äußern derartige Ängste. Eher sorgen sich Bisexuelle um die ihnen nahestehenden Personen (mit 42 Prozent). Genauso viele stimmen der Aussage zu, dass ihre sexuelle Orientierung zu ihrer Privatsphäre gehöre. Dies bestätigen auch 44 Prozent der schwulen Befragten. Aber auch sie haben mit 41 Prozent die Befürchtung, das offene Bekenntnis zu ihrer sexuellen Orientierung mit Diskriminierung wie dem Verlust des Arbeitsplatzes zu bezahlen.31

Ein Viertel der Trans*-Personen behält aus Gründen der Privatsphäre ihre geschlechtliche Identität für sich, die restlichen befragten Trans* teilen sich in gleichen Teilen in die, die Angst vor eigenen negativen Erfahrungen und erwarteten negativen Konsequenzen für Freunde und Familie haben.

Der Vergleich nach Alter zeigt, dass mit zunehmendem Alter die Privatsphäre eine wichtige Komponente darstellt. Den 16- bis 29 Jährigen war sie zu 25 Prozent, den 30- bis 45-Jährigen zu 56 Prozent wichtig und ältere Befragte über 45 Jahre gaben zu 70 Prozent an, aus Gründen der Privatsphäre ihre sexuelle Orientierung beziehungsweise geschlechtliche Identität nicht offen zu leben.

Darüber hinaus geben die brandenburgischen Befragten auch in den offenen Antworten zur Frage, warum sie nicht offen leben, an, dass sie bereits Diskriminierungserfahrungen wie "Belustigung, Mitleid, Unverständnis" und "gerade im sozialen Umfeld" gemacht haben oder Angst davor haben, dass beispielsweise das "Kind im Kindergarten gemobbt wird". Dass diese Befürchtungen der LSBTTIQ* nicht unbegründet sind, offenbart sich auch in der aktuellen Befragung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) zur Einstellung der deutschen Bevölkerung gegenüber lesbischen, schwulen und bisexuellen Menschen in Deutschland. Etwa ein Viertel der repräsentativ Befragten gab an, dass sie es (eher/voll und ganz) unangemessen finden, wenn Menschen ihre Homosexualität öffentlich machen.32

 


25 Vgl. Lebenssituation von LSBTTIQ-Menschen in Baden-Württemberg, S. 19.
26 Vgl. Lebenssituation von LSBTTIQ-Menschen in Baden-Württemberg, S. 18. Hier sind es ebenfalls die bisexuellen Befragten, die prozentual am häufigsten gänzlich ungeoutet leben.
27 Die Befragung des Deutschen Jugendinstitut "Coming-out - und dann...?!" unter jugendlichen LSBTTIQ* zwischen 14 und 27 Jahren ermittelte ein durchschnittliches Alter für ein äußeres Outing unter Lesben, Schwulen, Bisexuellen und queeren Menschen von etwa 17 Jahren. Trans* und Genderqueere outen sich etwa anderthalb Jahre später. Während bei lesbischen, schwulen, bisexuellen oder queeren (in der Befragung "orientierungs*divers" genannten) Jugendlichen anderthalb bis drei Jahre zwischen dem inneren (Bewusstwerden der eigenen sexuellen Orientierung) und äußeren Coming-out liegen, dauert dies bei Trans* und genderqueeren (von den Autor*innen als gender*divers bezeichneten) Jugendlichen zwischen 3,5 und sieben Jahren. Vgl. Coming-out - und dann...?!, S. 15.
28 Vgl. Lebenssituation von LSBTTIQ-Menschen in Baden-Württemberg, S. 19.
29 Vgl. Lebenssituation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgender und Intersexuellen in Rheinland-Pfalz, S. 27.
30 Was zum Teil auch daran liegen mag, dass Bisexuelle, die aktuell in einer gemischtgeschlechtlichen Beziehung leben, ohne explizites beziehungsweise verbalisiertes Coming-out nicht als solche zu erkennen sind.

31 In der baden-württembergischen Befragung überwog mit 57 Prozent Zustimmung noch stärker die Angst vor negativen Reaktionen. Vgl. Lebenssituation von LSBTTIQ-Menschen in Baden-Württemberg, S. 19.
32 Vgl. Küpper, Beate; Klocke, Ulrich; Hoffmann, Lena-Carlotta (2017): Einstellungen gegenüber lesbischen, schwulen und bisexuellen Menschen in Deutschland. Ergebnisse einer bevölkerungsrepräsentativen Umfrage. Hg. v. Antidiskriminierungsstelle des Bundes. S. 58. URL: http://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Downloads/DE/publikationen/Umfragen/Umfrage_Einstellungen_geg_lesb_schwulen_und_bisex_Menschen_DE.pdf?__blob=publicationFile&v=2.

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Jeweils rund ein Drittel der Teilnehmer*innen geben als sexuelle Orientierung „schwul“ oder „lesbisch“ an. Jede*r Achte bezeichnet sich als „bisexuell“, zwei Prozent als „asexuell“, ein Prozent als „pansexuell“. Weitere vier Prozent können oder wollen sich bezüglich der eigenen sexuellen Orientierung nicht festlegen. Was die eigene geschlechtliche Identität anbelangt, geben zwölf Prozent (35 Befragte) transsexuell oder transgender an, zwei Personen geben inter* als ihre geschlechtliche Identität an.22

Damit sind die einzelnen Identitäten in der vorliegenden brandenburgischen Stichprobe deutlich ausgewogener und realistischer vertreten als in der baden-württembergischen sowie der rheinland-pfälzischen LSBTTIQ*-Befragung. In beiden Ländern stellten mit 46 Prozent schwule Männer fast die Hälfte der jeweiligen Befragten dar. Es muss also beim Vergleich der Ergebnisse zwischen diesen drei Studien immer berücksichtigt werden, dass das baden-württembergische und das rheinland-pfälzische Antwortverhalten überproportional stark von den Erfahrungen schwuler Männer geprägt ist.23

Lässt man die vergleichsweise kleine Zahl der pansexuellen Teilnehmer*innen außer Acht, bilden die bisexuellen und Trans*Personen die mit Abstand jüngste Gruppe: 38 Prozent der Trans*Befragten sind jünger als 25 Jahre, bei den Bisexuellen ist es sogar mehr als jede*r Zweite. Ebenfalls 53 Prozent der Befragten geben als ihr jetziges Geschlecht weiblich an, 41 Prozent männlich, drei Prozent bezeichnen ihr Geschlecht als unbestimmt und weitere drei Prozent machen weitere, spezifizierende Angaben.24

Da die Fallzahlen für eine detaillierte Auswertung zu gering sind, soll an dieser Stelle ein Schlaglicht auf die Antworten der 12 asexuellen. Befragten geworfen werden - einer Gruppe, die zunehmend mit mehr Aufmerksamkeit betrachtet wird: Asexuelle Befragte leben häufiger in der Stadt als auf dem Land, als die übrigen Befragten in Brandenburg. Vier von 35 Trans* (11 Prozent) und beide Inter*, die an der Befragung teilgenommen haben, sind asexuell. Nur drei von zwölf Asexuellen haben ihren Mitmenschen von ihrer asexuellen Lebensweise erzählt. Häufiger als die anderen Befragten (48 Prozent) haben Asexuelle in den vergangenen fünf Jahren negative Erfahrungen aufgrund ihrer Lebensweise machen müssen - zu zwei Dritteln (8 von 12). Die offenen Antworten der befragten Asexuellen machen deutlich, dass ihnen Unverständnis und Unwissen begegnet. Erlebnisse waren beispielsweise: "Angedrohte 'Korrektur' durch sexuelle Gewalt: 'Du musst nur mal richtig gebumst werden, dann willst Du es auch!'", oder: "Eine Person meinte zu mir, dass ich nicht asexuell sein kann, weil asexuelle Menschen keine Gefühle haben und Soziopathen sind. Eine andere Person meinte, dass Asexualität schrecklich und unmenschlich sei."

 


22 Da für den überwiegenden Großteil der Trans*Befragten nach eigenen Angaben ihre geschlechtliche Identität ausschlaggebend für die der Beantwortung ihrer Fragen zugrundeliegende Eigenschaft ist, wurden ihre Antworten unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung vorrangig als Trans*Antworten behandelt. Unter den befragten Trans* geben acht „schwul“ und vier „lesbisch“ als sexuelle Orientierung an. Sieben Trans* sind bisexuell, sechs asexuell, fünf pansexuell / queer, zwei sind heterosexuell und fünf Trans* möchten sich nicht festlegen.
23 Vgl. Lebenssituation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgender und Intersexuellen in Rheinland-Pfalz, S. 18 sowie Lebenssituation von LSBTTIQ-Menschen in Baden-Württemberg, S. 10.
24 Offene Nennungen: androgyn, beides, cis-Mann, demifem, genderqueer, genderqueere Frau, Mensch, asexuell, nonbinär, Trans*, trans*maskulin, Transgender, FTM.

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Vierzig Prozent der befragten LSBTTIQ* in Brandenburg verfügen über einen Hochschulabschluss, ein Viertel (25 Prozent) geben Fachhochschulreife beziehungsweise Abitur als höchsten Abschluss an. Etwa jede*r Fünfte verfügt über eine Berufsausbildung und zwölf Prozent haben die Mittlere Reife. In der Gruppe der über 26-Jährigen verfügt sogar mehr als die Hälfte (51 Prozent) über einen Hochschulabschluss. 14 Prozent der befragten Personen absolvieren zum Zeitpunkt der Befragung ein Hochschulstudium. Im Vergleich zur Bevölkerung verfügen die Teilnehmer*innen der Befragung also über eine überproportional hohe Ausbildung.

Ebenfalls erhoben wurde das Einkommen der Befragten. Die Gruppe mit dem durchschnittlich höchsten Einkommen bildet die Gruppe der schwulen Männer. Etwa jede*r Zweite (49 Prozent) verfügt hier über ein Nettomonatseinkommen von über 2.000€. Eine gender pay gap18 zwischen männlichen und weiblichen Berufstätigen in der gesamtdeutschen Bevölkerung bestätigt sich auch unter den LSBTTIQ* in Brandenburg. Mit 62 Prozent beziehungsweise 69 Prozent findet sich die Mehrheit der Trans* und bisexuellen Personen in der unteren Einkommensgruppe. Aus anderen Studien wissen wir, dass Trans* am Arbeitsplatz und auf dem Arbeitsmarkt generell schlechter gestellt sind als Cis-Personen, was zu einem entsprechend niedrigeren Einkommen beiträgt19

Die Verteilung der befragten LSBTTIQ* in Bezug auf einen Migrationshintergrund ist beinahe identisch mit dem der brandenburgischen Gesamtbevölkerung: Sechs Prozent der Befragten geben an, einen Migrationshintergrund zu besitzen – fünf Prozent sind es unter allen Brandenburg*innen.20 Mit 13 Prozent liegt dieser Wert in der jüngsten Altersgruppe (16-25 Jahre) am höchsten und nimmt mit zunehmendem Alter ab. Mit neun Prozent ist der Anteil der Befragten mit Migrationshintergrund unter den schwulen Teilnehmern am größten.

Nach der Religionszugehörigkeit befragt geben drei Viertel der Teilnehmenden (74 Prozent gegenüber 69 Prozent in der brandenburgischen Gesamtbevölkerung) an, konfessionslos zu sein. 20 Prozent nennen evangelisch als Religion, fünf Prozent katholisch. Damit weicht die Gruppe der befragten LSBTTIQ* insbesondere unter den Katholiken von der Gesamtbevölkerung ab, wo dieser mit zehn Prozent doppelt so hoch liegt. In Baden-Württemberg ist der Anteil der Befragten, die angaben, keiner Konfession anzugehören, mit 45 Prozent deutlich geringer.21 In Rheinland-Pfalz wurde die Religionszugehörigkeit nicht abgefragt.

 


18 Damit wird die Differenz zwischen dem Einkommen von Menschen unterschiedlichen Geschlechts bezeichnet.
19 Vgl. Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2017): "Out im Office?!" Erste Ergebnisse zur Arbeitssituation lesbischer, schwuler, bisexueller und Trans*-Beschäftigter in Deutschland. S. 13. URL: http://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Downloads/DE/publikationen/Umfragen/20170719_Umfrageergebnisse_Out_im_Office.pdf?__blob=publicationFile&v=2.
20 Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie des Landes Brandenburg (2016): Bericht „Daten, Fakten und Entwicklung zu Migration und Integration“. URL: http://www.masgf.brandenburg.de/cms/detail.php/bb1.c.447541.de.
21 Vgl. Lebenssituation von LSBTTIQ-Menschen in Baden-Württemberg, S. 16.

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Insgesamt nahmen 314 Personen an der Befragung teil14. Davon geben 229 Personen an, zum Befragungszeitpunkt in Brandenburg zu wohnen. Die übrigen 85 Personen haben Ihren Wohnort außerhalb Brandenburgs, halten sich nach eigener Auskunft aber oft in Brandenburg auf bzw. stammen von dort und sind mit der Situation von LSBTTIQ*in Brandenburg hinreichend vertraut.

Fast jede*r zweite Befragte (45 Prozent) lebt in einer Stadt mit mehr als 50.000 Einwohner*innen. Überraschenderweise wurde auch ein Großteil der diskriminierenden Erfahrungen, von denen in dieser Studie berichtet wird, in städtischen Gebieten gemacht und nicht, wie oftmals vermutet, im vermeintlich ländlichen Raum.

Das Befragten-Sample (Stichprobe) hat im Vergleich zur Gesamtbevölkerung Brandenburgs ein geringes Alter. Die Hälfte der Befragten (50 Prozent) ist jünger als 30 Jahre, 35 Prozent sind zwischen 30 und 45 Jahren und 15 Prozent der Befragten älter als 45 Jahre. Das niedrige Durchschnittsalter der Teilnehmer*innen15 weist zum einen auf deren Nähe zu Online-Befragungen hin, insbesondere wenn diese über social media verbreitet werden (Rekrutierungs-Bias/Verzerrung aufgrund der Ansprachemethode). Zum anderen sind jüngere Menschen eher bereit, gleichgeschlechtliche Erfahrungen zu berichten, sich als lesbisch, schwul, bi- oder transsexuell, transgender, inter* oder queer zu identifizieren und dies in Befragungen anzugeben, wie unter anderem in der Befragung des Office for National Statistics (2016)16 sowie in einer YouGov-Studie (2017)17 auch für Deutschland gezeigt wurde.

 


14 Durch Filterführungen im Fragebogen variiert die Anzahl der Befragten zwischen einzelnen Fragen. Aufgrund von Fragebogenabbrüchen sinkt die Gesamtanzahl der Antwortenden über den gesamten Fragebogen zudem zum Ende hin leicht.
15 Dies gleicht dem Alters-Bias in der baden-württembergischen und der rheinland-pfälzischen LSBTTIQ*-Befragung (jeweils 38 Prozent der Teilnehmenden unter 30 Jahre).
16 Office for National Statistics (2017): Sexual identity, UK: 2016. Experimental Official Statistics on sexual identity in the UK in 2016 by region, sex, age, marital status, ethnicity and National Statistics Socio-economic Classification. S. 7. URL: https://www.ons.gov.uk/peoplepopulationandcommunity/culturalidentity/sexuality/bulletins/sexualidentityuk/2016/pdf.
17 Vgl. Geißler, Holger, Drösser, Christoph (2017): Wir Deutschen & die Liebe: Wie wir lieben. Was wir lieben. Was uns erregt. Hamburg. Das Buch beruht auf repräsentativen Umfragen des Meinungsforschungsinstituts YouGov mit mehr als 12.000 Befragten.

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Bei der Konzeption des Frageinstrumentariums wurden die Fragebögen zweier ähnlich angelegter Studien aus Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg als Referenzstudien herangezogen. Diese ebenfalls im Kontext von Landesaktionsplänen gegen Homo- und Transphobie konzipierten Fragenkomplexe und Frage-Antwort-Formulierungen wurden in großen Teilen für die vorliegende Befragung repliziert. Zudem wurde ein Fragebereich aus der Studie "Coming-out - und dann...?! Coming-out-Verläufe und Diskriminierungserfahrungen von lesbischen, schwulen, bisexuellen und trans* Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland"10 des Deutschen Jugendinstituts (DJI) hinzugenommen. Da nur vereinzelt Anpassungen in der Frageführung und wenigen Item-Formulierungen vorgenommen wurden, sind die Antworten der vorliegenden brandenburgischen Studie in hohem Maße mit den Befunden aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz vergleichbar.11 Wo möglich und sinnvoll, werden diese Benchmark-Daten12 daher im Ergebnisteil herangezogen, um allgemein gültige Ergebnisse beziehungsweise landesspezifische Herausforderungen identifizieren und einordnen zu können.

Der Fragebogenaufbau orientierte sich zweitens an den Handlungsfeldern, die im Rahmen des „Aktionsplans Queeres Brandenburg“ gemäß dem Landtagsbeschluss vom 9. Juni 2016 diskutiert und aufgearbeitet werden sollten. Um evidenzbasierte beziehungsweise empirische Hinweise für politische Entscheidungen geben zu können, decken die abgefragten Handlungsfelder diejenigen Themen ab, die im Erarbeitungsprozess des Aktionsplans eine Rolle spielten. In einem ersten Teil wurden zunächst allgemeine Fragen zum Wohnort, zur sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität sowie zu Diskriminierungserfahrungen als LSBTTIQ* gestellt. Anschließend folgten Fragen zu speziellen Themenfeldern und offene Eingabemöglichkeiten für konkret erlebte Diskriminierungssituationen. Der Fragebogen endete mit der offenen Eingabemöglichkeit für Maßnahmenvorschläge und Handlungsprioritäten im Rahmen des „Aktionsplans Queeres Brandenburg“. Folgende Einzelthemen wurden abgefragt:

  • Selbstidentifikation,
  • Akzeptanz und gleiche Rechte,
  • Gleichberechtigt leben und aufwachsen als LSBTTIQ*,
  • Institutionelle Bildung und Qualifizierung für mehr Gleichstellung,
  • Sensibilisierung für eine tolerante und gleichberechtigte Gesellschaft,
  • Diskriminierungsfreie Arbeitswelt,
  • Schutz und Gleichstellung in der Arbeit von Polizei und Justiz,
  • Weiterentwicklung von Strukturen und Abbau von Barrieren für Trans* und Inter*, 
  • Ausblick, Erwartungen, Verbesserungsvorschläge,
  • Soziodemografie.

Die Studienteilnehmer*innen hatten in jedem Abschnitt des Fragebogens die Möglichkeit, ihre Erfahrungen und Eindrücke auch in eigenen Worten zu schildern. Diese offenen Antworten13 illustrieren spezifische Diskriminierungssituationen, die exemplarisch für noch bestehende Benachteiligungen von und erlebte Vorurteile gegenüber LSBTTIQ* in Brandenburg stehen.

Bei der Konzeption des Fragebogens wurde auf Objektivität, Reliabilität (Zuverlässigkeit) und Validität (Gültigkeit) geachtet. Um Missverständnissen und Schwierigkeiten bei der Beantwortung vorzubeugen, wurde dieser in einer Pretest-Phase im April 2017 Repräsentant*innen der Zielgruppe, den Vertreter*innen der brandenburgischen LSBTTIQ*-Verbände sowie der Landesgleichstellungsbeauftragten zur Kommentierung vorgelegt, u.a. im Verlauf einer Veranstaltung im April 2017. Ihr Feedback ist in die finale Version des Fragebogens eingeflossen, ohne die Vergleichbarkeit zu den genannten Referenzstudien zu stark einzuschränken.

Es entstand damit ein ausführlicher, anonymer und standardisierter Fragebogen, der online auszufüllen war. Er enthielt offene und geschlossene wie auch Hybridfragen (Kombination aus offener und geschlossener Frage). Die Absicht, so viel wie möglich über die Zielgruppe der Befragung herauszufinden, überwog die Vorbehalte gegenüber einer hohen Abbruchquote aufgrund der Fragebogenlänge. Das Ausfüllen des Fragebogens in Gänze benötigte etwa dreißig Minuten Zeit.

 


10 Krell, Claudia; Oldermeier, Kerstin (2015): Coming-out – und dann…?! Ein Forschungsprojekt des Deutschen Jugendinstituts zur Lebenssituation von lesbischen, schwulen, bisexuellen und trans*Jugendlichen und jungen Erwachsenen. URL: http://www.dji.de/fileadmin/user_upload/bibs2015/DJI_Broschuere_ComingOut.pdf.
11 Die Vergleichbarkeit der Ergebnisse wird allerdings durch unterschiedliche Verteilungen der LSBTTIQ*-Subgruppen in den Stichproben und die Tatsache, dass in Rheinland-Pfalz allgemein nach Diskriminierungserfahrungen und in der vorliegenden Untersuchung sowie in Baden-Württemberg nach den Erfahrungen der vergangenen fünf Jahre eingeschränkt. Siehe dazu auch das folgende Kapitel.
12 Der Begriff Benchmark bezeichnet eine Vergleichsgröße, bspw. Vergleichsgruppen an Befragten oder Daten.

13 Etwaige Rechtschreibfehler in diesen Antworten wurden durch das Autoren-Team grundsätzlich korrigiert, ohne dies in jedem Einzelfall kenntlich zu machen.

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