Im Alter erhalten die Lebensbereiche Gesundheit und Pflege eine zunehmende Bedeutung. Neben einer hochwertigen gesundheitlichen Versorgung sollte dabei stets auch der respektvolle Umgang mit den Patient*innen im Fokus stehen. Im Rahmen der Untersuchung wurden die Teilnehmer*innen nach ihren Diskriminierungserfahrungen im medizinischen und therapeutischen Bereich befragt. Grundsätzlich haben drei Viertel der befragten LSBTTIQ* (77 Prozent) das Gefühl, dass ihre sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität keinerlei ersichtliche Bedeutung im Rahmen der Behandlung hatte. Angesichts der ansonsten berichteten Diskriminierungserfahrungen ist bemerkenswert, dass sich neun von zehn Befragten vom pflegerischen beziehungsweise therapeutischen Personal voll und ganz oder weitgehend respektvoll behandelt fühlt. Rund drei Viertel der Befragten (74 Prozent) berichten von einem selbstverständlichen Umgang mit ihren Lebenspartner*innen.

Einige Betroffene berichten jedoch auch von ignorantem Verhalten gegenüber ihrer sexuellen Orientierung beziehungsweise geschlechtlichen Identität und Unsicherheiten auf Seiten des Fachpersonals im Umgang damit. Regionale Unterschiede zwischen Stadt und Land in Brandenburg konnten nicht festgestellt werden.

Die deutliche Ausnahme zu den positiven Befunden bilden in diesem Zusammenhang Trans*-Personen: In dieser Gruppe empfinden lediglich 73 Prozent den Umgang mit dem medizinischen und therapeutischen Personal entsprechend respektvoll und nur jede*r Zweite (57 Prozent) hat das Gefühl, dass die eigene geschlechtliche Identität keinerlei ersichtliche Bedeutung im Rahmen der Behandlung spielt. Diese Beobachtung spiegelt sich auch in weiteren Aspekten wieder: So sieht sich knapp jede zweite Trans*-Person (48 Prozent) unangenehmen Fragen zur eigenen geschlechtlichen Identität ausgesetzt und 43 Prozent berichten von einer expliziten Pathologisierung der geschlechtlichen Identität. Auf weitere Formen von Diskriminierung angesprochen, berichten Betroffene davon, in Wartezimmersituationen, mit dem falschen Geschlecht aufgerufen zu werden oder beispielsweise als Transfrau in der Behandlungssituation weiterhin als männlich angesehen zu werden.

Der Blick in andere Bundesländer zeigt, dass es sich hierbei keineswegs um einen brandenburgischen Sonderfall handelt. Auch in Rheinland-Pfalz fühlten sich vor allem Trans*-Menschen im Rahmen von medizinischen Konsultationen diskriminiert.55 Im Rahmen von Beratungen, die explizit im Zusammenhang mit der sexuellen oder geschlechtlichen Identität stehen und häufig von entsprechend versierten und sensibilisierten Fachleuten durchgeführt werden, fühlten sich die Mehrheit (63 Prozent) der Trans*- Personen in Brandenburg dagegen kompetent und informiert beraten.

Die Teilnehmer*innen wurden auch zu ihren Erfahrungen mit Pflege-, Wohn- und Betreuungsangeboten befragt. Rein quantitativ hatte nur eine Minderheit Erfahrungen in diesem Bereich vorzuweisen:

Insgesamt geben acht Prozent der Befragten an, auf besondere Unterstützung angewiesen zu sein, davon fünf Prozent aufgrund einer schweren Erkrankung, zwei Prozent wegen einer Behinderung und ein Prozent aufgrund des Alters.

Von den Befragten, die Erfahrungen mit Pflege-, Wohn- und Betreuungsangeboten gemacht haben, fühlt sich ebenfalls eine überwiegende Mehrheit von 90 Prozent respektvoll vom Fachpersonal behandelt. Über drei Viertel der Befragten geben zudem an, dass im täglichen Umgang die eigene sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität keine besondere Rolle spiele. Gleichzeitig hat aber nur jede*r Dritte (31 Prozent) den Eindruck, dass das Fachpersonal in Brandenburg hinsichtlich sexueller und geschlechtlicher Vielfalt ausreichend geschult sei. Spezieller Pflege-, Wohn- und -Betreuungsangebote für LSBTTIQ* ist unter den Befragten nicht sonderlich bekannt. Gerade einmal 13 Prozent der Betroffenen in Brandenburg sind derartige Einrichtungen bekannt.56

Auch wenn sich LSBTTIQ* in Brandenburg in Bereichen der Pflege und Gesundheit generell respektvoll behandelt fühlen, zeigen die Ergebnisse, dass auf Seiten des medizinisch-therapeutischen beziehungsweise pflegerischen Personals häufig noch Defizite im Umgang mit nicht heteronormativen und zweigeschlechtlichen Lebensweisen bestehen. Dies gilt auch und vor allem für den Umgang mit Trans*-Personen. Vor allem diese Gruppe innerhalb der LSBTTIQ*-Community fühlt sich in medizinisch-therapeutischen Einrichtungen überproportional häufig diskriminiert. Nachfolgend werden offene Antworten der Befragten zum Thema Pflege sowie medizinischer und therapeutischer Behandlung widergegeben.

  • "Das ganze amtliche Procedere basierend auf dem völlig veralteten TSG57 ist demütigend und kostenintensiv. Nicht jeder, der keine Prozesskostenhilfe bekommt, kann es sich auch leisten, über 1000 € für den Amtsakt aus eigener Tasche zu bezahlen."
  • "Ein Oberarzt hatte offensichtlich ein Problem mit unserer Partnerschaft und wurde im Gespräch immer abfälliger/unsensibler"
  • "Ich oute mich nur vor Ärzten in Berlin, wenn es sich ermöglichen lässt. Aber auch dort sind z.B. Formulare nie für homosexuelle Lebenspartnerschaften gemacht."
  • "In Berlin ist es sehr schwer, als transsexueller Mensch qualifizierte Hilfe zu bekommen. In Berlin gibt es eigentlich nur einen Arzt, der offen mit transsexuellen Menschen umgeht. […] Wenn man irgendwelche gesundheitlichen Probleme hat, kann es transsexuellen Menschen schnell passieren, dass es auf psychische Ursachen reduziert wird. "Man vertrage die Hormone nicht o.ä." Ärzte glauben, man sei irgendwie weiterhin insgeheim somatisch männlich. Beispielsweise wurde mir gesagt, es gäbe kein Brustkrebsrisiko für Transsexuelle, weil sie ja eigentlich männlich seien."
  • "Hausärzte / Allgemeinmediziner haben oft noch die Meinung, man müsste zum Psychiater - dabei sind wir nicht psychisch krank. Ein Hausarzt sollte einen direkt zu einem Endokrinologen überweisen können. Nur bei Bedarf macht Psychotherapie Sinn, aber nicht verpflichtend (wie es derzeit auf Grund der MdK-Vorgaben im Blick auf die GaOp58 noch ist - sonst zahlt die Krankenkasse nicht)"

Offene Antworten zur Frage "Haben Sie andere negative Erfahrungen im medizinischen oder therapeutischen Bereich gemacht, die in der vorangegangenen Frage nicht aufgeführt waren? Falls ja, beschreiben Sie diese bitte kurz."

 


55 Vgl. Lebenssituation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgender und Intersexuellen in Rheinland-Pfalz, S. 67.
56 Mit ähnlichen Informationsherausforderungen sehen sich auch andere Bundesländer konfrontiert. So lag das Wissen um lsbttiq*-spezifische Pflege-, Wohn- und Betreuungsangebote etwa in der baden-württembergischen Befragung bei acht Prozent der Betroffenen. Vgl. Lebenssituation von LSBTTIQ-Menschen in Baden-Württemberg, S. 35.
57 Gemeint ist das Transsexuellengesetz.
58 Bei dem Zitat handelt es sich um eine Stellungnahme zu den Vorgaben des Medizinischen Dienstes (MdK) der Krankenversicherung bei geschlechtsangleichenden Operationen (GaOp)

Die überwiegende Mehrheit der Befragten (85 Prozent) war zum Zeitpunkt der Befragung oder davor erwerbstätig. LSB-Personen geben dabei häufiger eine Erwerbstätigkeit an (Schwule zu 91 Prozent, Lesben zu 88 Prozent, Bisexuelle zu 78 Prozent) als Trans*Personen (69 Prozent). Damit liegt die rein quantitative Integration der LSB-Personen in den Arbeitsmarkt in Brandenburg auf einem ähnlichen Niveau wie beispielsweise in der baden-württembergischen Studie (86 Prozent), die von Trans*Personen unterhalb der Situation in Baden-Württemberg (79 Prozent).48 Dass Trans* deutschlandweit von Diskriminierung am Arbeitsplatz betroffen sind, ist durch Studien mehrfach aufgezeigt worden.49

42 Prozent der erwerbstätigen Befragten geben an, zurzeit im Öffentlichen Dienst tätig zu sein beziehungsweise tätig gewesen zu sein (inklusive Ausbildung). Hier sind Lesben, Schwule und Bisexuelle auch etwas häufiger vertreten als Trans*Personen (22 Prozent).

Die Teilnehmer*innen wurden ebenfalls zu negativen Reaktionen an ihrem Arbeits- oder Ausbildungsplatz aufgrund ihrer sexuellen Orientierung beziehungsweise geschlechtlichen Identität befragt. Die Ergebnisse belegen, dass Trans-, Bi- und Homophobie am Arbeitsplatz nach wie vor vorhanden sind. Fast jede*r Vierte (23 Prozent) der im Öffentlichen Dienst beschäftigten Befragten gibt an, in der Vergangenheit bereits Diskriminierungserfahrungen am Arbeitsplatz gemacht zu haben. In der freien Wirtschaft berichtet sogar jede*r Dritte (32 Prozent) über entsprechende Erfahrungen.

Vergleicht man dies mit den Ergebnissen anderer Studien, zeigt sich jedoch, dass es sich hierbei nicht um ein spezifisch brandenburgisches Problem handelt. In Baden-Württemberg berichten beispielsweise 30 Prozent der im Öffentlichen Dienst beschäftigten Befragten und 27 Prozent der in der freien Wirtschaft Tätigen von negativen Erfahrungen am Arbeitsplatz aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität.50 Dabei beginnt Diskriminierung bereits während der Bewerbungsphase im Rahmen von Stellenbesetzungen: Mehr als jede*r dritte Diskriminierungsbetroffene im Öffentlichen Dienst gibt an, aufgrund der Zugehörigkeit zu LSBTTI*-Personen eine Stelle gar nicht erst bekommen zu haben. In der Privatwirtschaft betrifft dies sogar 46 Prozent der Befragten51.

Auch Ausbildungszeiten sind nicht frei von Vorurteilen und Benachteiligungen: 28 Prozent derjenigen, die im Öffentlichen Dienst Diskriminierungserfahrungen gemacht haben, machten diese bereits während der Ausbildung. In der freien Wirtschaft waren es 41 Prozent. Während in Brandenburg in der freien Wirtschaft Trans*-Personen und lesbische Frauen mit 43 Prozent beziehungsweise 36 Prozent nach eigener Auskunft am häufigsten Opfer von Diskriminierung am Arbeitsplatz wurden, äußerten im Öffentlichen Dienst vor allem schwule Männer (24 Prozent) entsprechende Erfahrungen.52 Als die häufigsten Diskriminierungsformen am Arbeitsplatz werden das Nicht-Ernstnehmen der eigenen sexuellen Orientierung beziehungsweise geschlechtlichen Identität (83 Prozent bzw. 81 Prozent der Betroffenen)53 sowie Mobbing in Form von Lästern (91 Prozent bzw. 75 Prozent) und unangenehme Witze zu Lasten der Befragten genannt. Dies deckt sich mit Erfahrungen von LSBTTI*-Personen in RheinlandPfalz und Baden-Württemberg. Hier stellten diese Formen der Diskriminierung ebenfalls die am häufigsten genannten negativen Reaktionen am Arbeits- oder Ausbildungsplatz dar.54 In der Privatwirtschaft Brandenburgs berichten die Befragten zudem vergleichsweise häufig (65 Prozent) von Ausgrenzung im Kollegenkreis. Knapp die Hälfte (48 Prozent bzw. 45 Prozent) der Befragten sieht sich in ihrer beruflichen Weiterentwicklung unzureichend gefördert. 43 beziehungsweise 36 Prozent geben an, aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu LSBTTI*-Personen eine Stelle nicht bekommen zu haben. Eine Person berichtet konkret davon, ihres Dienstpostens enthoben und auf eine andere Stelle versetzt worden zu sein, da der Vorgesetzte nach dem Outing nicht mehr weiter mit ihr zusammenarbeiten wollte.

Trans*-Menschen sind dabei in besonderem Maße von Diskriminierung am Arbeitsplatz betroffen. So berichten 38 Prozent bzw. 30 Prozent davon, nicht in ihrem gewünschten Geschlecht angesprochen zu werden oder sehen sich in der freien Wirtschaft (31 Prozent) gar gezwungen, im früheren Geschlecht weiterzuarbeiten, um ihren Arbeitsplatz nicht zu verlieren. Fast jede*r fünfte Trans*-Person wird der Zugang zur Toilette des neuen Geschlechts nach eigenen Angaben verweigert.

Auch wenn sowohl im Öffentlichen Dienst als auch in der freien Wirtschaft vielfach ähnliche Diskriminierungsszenarien auftreten, erscheinen die Schilderungen von in der freien Wirtschaft tätigen Befragten im Detail besonders eklatant: Mehr als jede*r Vierte (26 Prozent) mit Diskriminierungserfahrung 28 berichtet hier von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz und fast jede*r Zehnte (9 Prozent) gibt an, am Arbeitsplatz bereits Opfer von sexueller Gewalt geworden zu sein. Sechs Prozent der Betroffenen berichten sogar von körperlichen Angriffen in Form von Schlägen und Tritten am Arbeitsplatz. Aber auch unterhalb der Schwelle von unmittelbaren sexuellen und körperlichen Angriffen zeigen sich in der freien Wirtschaft deutlichere Diskriminierungstendenzen. Fast ein Viertel (23 Prozent) berichtet davon, dass aufgrund der sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität der Kontakt zu Kund*innen und Klient*innen untersagt wurde. Jede*r Dritte (30 Prozent) hat nach eigener Aussage aufgrund von Benachteiligung, Ablehnung und Ausgrenzung bereits einmal gekündigt und 14 Prozent wurde bereits gekündigt. Eine Person berichtete davon, gegen ihren Willen gegenüber Kund*innen geoutet worden zu sein.

Vor diesem Hintergrund scheint es aus Sicht der Betroffenen nur plausibel, dass knapp die Hälfte (48 Prozent) der in der freien Wirtschaft tätigen Befragten sich zumindest gegenüber einem Teil der Mitauszubildenden, Kolleg*innen und Vorgesetzten gar nicht erst geoutet haben. In der Folge lässt dies zumindest vermuten, dass die hier vorliegenden Werte daher auch nicht das ganze Ausmaß an Homound Transphobie am Arbeitsplatz abbilden, da die eigene sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität von den Befragten vielfach aus Angst vor Diskriminierung gar nicht erst sichtbar gemacht und thematisiert wird.

Positiv berichtet dagegen über die Hälfte der Betroffenen (56 Prozent), bei Diskriminierung Unterstützung von Kolleg*innen, Mitauszubildenden oder Vorgesetzten erfahren zu haben. Im Öffentlichen Dienst liegt die Unterstützung durch das Arbeitsumfeld mit 72 Prozent sogar noch deutlich höher.

  • "Ich wurde von meinem Dienstposten enthoben und auf eine andere Stelle versetzt. Mein Vorgesetzter wollte nicht mehr mit mir arbeiten."
  • "Besonders von den Arbeitskollegen und Chef"
  • "Fremd-Outing gegenüber Kunden*innen"
  • "Man bekommt teilweise auch keine Zeugnisse"
  • "Es gibt auf Arbeit auch eine unangemessene Neugier über mein Privatleben als Lesbe. Bei meinen vorhergehenden Arbeitsstellen war es schwierig, als miterziehende Mutter (und dann später Großmutter) anerkannt zu werden, wenn es z.B. um Urlaubsplanung ging. Da durften lange nur die leiblichen Mütter und Omas die Schulferien als Urlaubszeiten nutzen."
  • "In einem Praktikumsbetrieb, wo ich 3 Monate tätig war. Wurde mir später berichtet, dass die Mitarbeiter so seltsam mir gegenüber sich verhalten haben und auch so ablehnend, weil sie nicht mit meiner Homosexualität klar kamen."
  • "Bei der Benutzung der Damendusche am Arbeitsplatz wurde ich vor ein Tribunal gestellt."
  • "Im Hinblick auf das Jobcenter,gab es keine Möglichkeit meine damalige Freundin als Lebenspartnerin anzugeben. Als wir einen WBS Schein davor beantragen wollten, guckte uns die Sachbearbeiterin nur merkwürdig an... und murmelte vor sich her..."

Offene Antworten zur Frage " Haben Sie andere als die in der Frage aufgeführten negativen Reaktionen aufgrund Ihrer sexuellen Identität bzw. Zugehörigkeit zu TTI*-Menschen an Ihrem Arbeits- oder Ausbildungsplatz erfahren?"

 


48 Vgl. Lebenssituation von LSBTTIQ-Menschen in Baden-Württemberg, S. 43.
49 Vgl. bspw. Out im Office?!, S. 13 oder Franzen, Jannik; Sauer, Arn (2010): Benachteiligung von Trans*Personen, insbesondere im Arbeitsleben. Hg. v. Antidiskriminierungsstelle des Bundes. URL: http://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Downloads/DE/publikationen/Expertisen/Expertise_Benachteiligung_von_Trans_personen.pdf?__blob=publicationFile&v=2
50 Vgl. Lebenssituation von LSBTTIQ-Menschen in Baden-Württemberg, S. 44.
51 Notabene: Hier werden subjektive Diskriminierungserfahrungen berichtet, denen nicht zwangsläufig immer Diskriminierungshandlungen oder Diskriminierungsintentionen entsprechen müssen.
52 Da die Fallzahlen für Bisexuelle und Trans*-Personen im Öffentlichen Dienst zu gering für eine Prozentuierung sind, wurde an dieser Stelle auf eine dezidierte Darstellung dieser Subgruppen verzichtet.
53 Die aufeinander folgenden Prozentzahlen beschreiben jeweils zuerst die Negativerfahrungen in der freien Wirtschaft und dann die Werte für den Öffentlichen Dienst.
54 Vgl. Lebenssituation von LSBTTIQ-Menschen in Baden-Württemberg, S. 44 sowie Lebenssituation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgender und Intersexuellen in Rheinland-Pfalz, S. 56.

Im Fragebogen wurde auch nach negativen Erfahrungen und Benachteiligungen in einem für die meisten Menschen sehr prägenden Lebensbereich gefragt, nämlich dem Bildungsbereich. Die Ergebnisse zeigen: Schule, inklusive der Berufs- und Fachschulen, ist der Ort, an dem nach der eigenen Familie, der Freizeit und der Öffentlichkeit am häufigsten diskriminierende Erfahrungen von den Befragten gemacht worden sind. Gut ein Drittel der Online-Befragten haben negative Erfahrungen in der Schule gemacht. Besonders betroffen sind Trans*-Personen, von denen zwei Drittel angeben, diskriminierende Schulerfahrungen gemacht zu haben beziehungsweise aktuell erleben. 22 Prozent der Trans* berichten sogar von regelmäßigen Benachteiligungen aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität.41

Im Vergleich zu den Befragungen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz wird in brandenburgischen Bildungseinrichtungen (36 Prozent) deutlich seltener von Diskriminierung und Benachteiligung berichtet. In Baden-Württemberg haben 77 Prozent der Befragten mindestens einmal innerhalb von fünf Jahren diskriminierende Erfahrungen an Schulen, Fach- oder Berufsschulen gemacht und 55 Prozent an den Hochschulen.42 Dagegen berichteten 54 Prozent der Befragten in Rheinland-Pfalz davon, regelmäßig beziehungsweise mehrmals an den Schulen, Berufs- und Fachschulen Diskriminierung erlebt zu haben, und ein Viertel an den Hochschulen.43

Dabei verteilen sich alle berichteten Diskriminierungserfahrungen in Brandenburg gleichmäßig auf Schulen in größeren Städten wie auf Schulen im ländlichen Raum – es gab hier keine signifikanten Unterschiede nach Wohnort der Befragten.

Neben der Häufigkeit erfahrener Benachteiligungen interessiert auch deren Ausprägung in den unterschiedlichen Schulformen. Besonders stark fallen die negativen Reaktionen laut Aussage der Befragten an den Allgemeinen Schulen Brandenburgs aus. Hier wertet mehr als jede*r zweite Befragte die erlebten Reaktionen als sehr stark oder stark negativ. Dagegen überwiegen an den Hochschulen eher schwächere Formen der Diskriminierung von LSBTTIQ*.

Welche konkreten Formen der Diskriminierung und Benachteiligung an den Bildungseinrichtungen des Landes wurden und werden gemacht? Zahlreiche Befragte geben hierzu ihre Erfahrungen offen wieder. Diese reichen von abwertenden Blicken mancher Mitstudent*innen bis hin zu diskriminierenden Situationen für Kinder aus Regenbogenfamilien. So berichtet eine Mutter, die ihr Kind zusammen mit ihrer Partnerin aufzieht, von abwertenden Bemerkungen von Mitschüler*innen und aufgrund dieser Erfahrung von Geheimhaltung der Familiensituation gegenüber einem Teil der Mitschüler*innen. Die nachstehende Übersicht gibt einen Auszug aus verschiedenen Antworten auf offene Fragen in diesem Kontext:

  • "Ich konnte mich zum Teil auf Grund der ständigen Beleidigungen und Anfeindungen (obwohl ungeoutet und nur durch die Peiniger verdächtigt) kaum auf den Lernstoff konzentrieren. Dabei bin ich auf eine sehr gute und tolerante Schule inmitten einer Großstadt gegangen, nachdem ich wegen schlimmerer Vorfälle die Schule vom Land gewechselt habe."
  • "Lehrer hat meine Situation nicht interessiert. Mitschüler haben mich gemobbt, geschlagen und beleidigt."
  • "Ein Professor lässt mich regelmäßig unterschwellig aber bestimmt wissen, dass ich nicht erwünscht bin in seinem "heterosexuellen" Studiengang."
  • "Nicht Wahrnehmen bzw. Einbeziehen unserer Lebensweise im öffentlichen Leben, z. B. in Kita- und Schulmaterialien, Büchereien. Keine Bereitschaft von öffentlichen Stellen, Pädagog*innen, sich damit auseinanderzusetzen bzw. Weiterbildungen zu besuchen."
  • "Mein Kind wurde in der Kita nur mit Materialien zu Hetero-Familien konfrontiert, was es in seiner Familienkonstellation irritierte. Meine Kinder waren in der Schule mit lesben-/schwulenfeindlichen Schimpfwörtern konfrontiert. Dadurch, dass es kein passendes Sorgerecht für unsere 4-Eltern-Familie (2 schwule Väter, 2 lesbische Mütter) gibt, wird uns oft das tägliche Leben in Schule, Kita, Ämtern... erschwert."

Offene Antworten auf die Frage: „Haben Ihr/e Partner_in und / oder Ihr/e Kind/er und / oder andere Ihnen nahestehende Menschen (z.B. Eltern oder Geschwister) in den vergangenen fünf Jahren aufgrund Ihrer sexuellen Identität bzw. Zugehörigkeit zu TTI*-Menschen negative Reaktionen erfahren? Welche negativen Reaktionen wurden erlebt?“

Dass es sich bei diesen Aussagen nicht um Einzelfälle handelt, machen die folgenden Ergebnisse deutlich: Gefragt wurde nach den Erfahrungen von LSBTTIQ* mit dem Lehrpersonal an Schulen und Hochschulen44 ebenso wie nach Erfahrungen mit Mitschüler*innen und Mitstudierenden. Neben positiven Signalen wie der Auskunft, dass sich 69 Prozent der Befragten vom Lehrpersonal und 63 Prozent der Befragten von ihren Peers anerkannt und wertgeschätzt fühlen45, sind allerdings auch Diskriminierungserfahrungen zu verzeichnen:

So wird nicht nur von körperlichen Übergriffen durch Mitschüler*innen und Mitstudent*innen (17 Prozent der Befragten, unter schwulen Schülern gar 25 Prozent der Befragten), sondern auch durch Lehrpersonal (7 Prozent) berichtet. In jedem achten Fall sind Schulwechsel die Folge. Abwertende Äußerungen unter Gleichaltrigen und ein Gefühl der Ungleichbehandlung durch pädagogische Fachkräfte haben zirka ein Drittel der Befragten innerhalb der vergangenen fünf Jahre erlebt – im Vergleich trifft dieses Gefühl der ungerechten Behandlung durch Lehrkräfte nur auf acht Prozent der rheinland-pfälzischen LSBTTIQ*-Befragten zu.46

Ein Outing im Bildungsbereich scheint auch heute noch problematisch zu sein. So geben drei Viertel der Befragten in Brandenburg an, nicht vor dem Lehrpersonal geoutet zu sein. Gut die Hälfte der Befragten sagt das Gleiche im Hinblick auf ihre Peers. Dabei sind besonders viele LSBTTIQ*-Schüler*innen in den Großstädten nicht geoutet (82 Prozent), während in Schulen auf dem Land vergleichsweise mehr Outings zu verzeichnen sind (64 Prozent nicht geoutet). Einer besonderen Diskriminierungslage sind Trans*Schüler*innen und -Student*innen ausgesetzt. Ein Viertel unter ihnen beklagt, nicht im für sie richtigen Geschlecht angesprochen zu werden. Mehr als jede*r Zweite fühlt sich aufgrund der eigenen geschlechtlichen Identität vom Lehrpersonal ungerecht behandelt. Dieser Wert liegt deutlich über dem in Rheinland-Pfalz berichteten Niveau (dort berichten 20 Prozent der Trans* von Ungleichbehandlung aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität durch Lehrkräfte).47

Konkreter Handlungsbedarf wird deutlich, schaut man sich die hilfeleistenden Reaktionen von Mitschüler*innen und Mitstudent*innen sowie der Lehrkräfte und Dozent*innen an: Denn gut einem Drittel der Befragten kam in den erlebten Diskriminierungssituationen niemand zu Hilfe. Dort, wo Hilfe geleistet wurde, kam sie zu einem überwiegenden Teil (57 Prozent) von den Gleichaltrigen beziehungsweise Peers. Nur in selteneren Fällen wurde Unterstützung von Lehrkräften und Dozent*innen berichtet (25 Prozent).

Daraus ist zweierlei abzuleiten: Zum einen mag es sein, dass Lehrkräfte zu selten von Diskriminierungshandlungen aufgrund der sexuellen oder geschlechtlichen Identität erfahren (schließlich gaben drei Viertel der Befragten an, vor dieser Gruppe nicht geoutet zu sein). Zum anderen kann dem Bildungspersonal beispielsweise durch Qualifikation oder klare Leitfäden professionelles Eingreifen leichter gemacht beziehungsweise vorgeschrieben werden (Lehrpersonal, das selbst zu Täter*innen wird, wird andernfalls kaum einschreiten).

 


41 Die Nennungen beziehen sich allesamt auf Erfahrungen aus den vergangenen fünf Jahren.
42 Vgl. Lebenssituation von LSBTTIQ-Menschen in Baden-Württemberg, S. 29.
43 Vgl. Lebenssituation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgender und Intersexuellen in Rheinland-Pfalz, S. 42. In Rheinland-Pfalz wurde nach Diskriminierungserfahrungen generell gefragt, nicht nach den vergangenen fünf Jahren.
44 Die überwiegende Mehrheit der Befragten (83 Prozent) bezieht ihre Angaben auf erlebte Situationen in den Allgemeinen Schulen. Eine detaillierte Aufschlüsselung der Befunde nach Allgemeinen Schulen, Berufs- und Fachschulen sowie Hochschulen ist auf Basis teilweise geringer Fallzahlen in den einzelnen Institutionen nicht sinnvoll.
45 Dies entspricht einer signifikant höheren Wertschätzung, als von den Befragten in Rheinland-Pfalz berichtet wird. Dort fühlt sich nur gut jede*r Dritte (34 Prozent) von seinen Peers anerkannt. Vgl. Lebenssituation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgender und Intersexuellen in Rheinland-Pfalz, S. 46.
46 Vgl. Lebenssituation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgender und Intersexuellen in Rheinland-Pfalz, S. 46.
47 Vgl. ebd. S. 50.

So wichtig die Familie für das persönliche Coming-out und die Lebenszufriedenheit ist, so sehr berichten die Befragten von negativen Erfahrungen innerhalb des Familienkreises. Das Lebensumfeld Familie ist sogar dasjenige, in dem von den meisten Befragten diskriminierende Erfahrungen gemacht wurden. Obwohl weit mehr als die Hälfte der Studienteilnehmer*innen angeben, dass ihre sexuelle Orientierung beziehungsweise geschlechtliche Identität im Familienkreis positiv aufgenommen wurde, machten mehr als ein Drittel der Befragten die Erfahrung, dass ihre sexuelle Orientierung in manchen Fällen nicht mitgedacht, nicht ernst genommen oder absichtlich ignoriert wurde.

Der Anteil der Trans*-Befragten war bei diesen Antworten jeweils doppelt so hoch oder höher im Vergleich zu lesbischen, schwulen und bisexuellen Brandenburger*innen, die diese Erfahrungen gemacht haben. Zehn Prozent der Trans* wurden gar von Familienmitgliedern körperlich angegriffen oder verprügelt. Während nur etwa 15 Prozent der Lesben, Schwulen und Bisexuellen damit zu kämpfen haben, dass Familienmitglieder übertriebenes Interesse an ihrer sexuellen Identität zeigen, sehen sich 60 Prozent der Trans* mit indiskreten Nachfragen konfrontiert. Das lässt darauf schließen, dass das Wissen über Transsexualität, Transgender oder etwa den Prozess der Transition gering ist und eine gewisse Unsicherheit in Bezug auf diese Themen besteht.

Die Frage nach der Situation innerhalb der eigenen Familie wurde aus der Studie des DJI zu Comingout-Prozessen von Jugendlichen übernommen und aus methodischen Gründen um eine positive Antwortmöglichkeit ergänzt. Im Ergebnis zeigt sich, dass die Antworten der brandenburgischen Befragten stark mit denen der DJI-Umfrage vergleichbar sind. Beispielsweise berichten 41 Prozent der Brandenburger Befragten (gegenüber 64 Prozent in der DJI-Studie), sich mit ihrer sexuellen Orientierung innerhalb ihrer Familie nicht ernstgenommen zu fühlen.37 Dass immer noch LSBTTIQ* auch in Brandenburg mit Akzeptanzproblemen in ihrer Herkunftsfamilie zu kämpfen haben, entspricht Ergebnissen aus Bevölkerungsbefragungen. In diesen geben etwa 40 Prozent der Deutschen an, dass es ihnen eher oder sehr unangenehm wäre, wenn ihr Sohn schwul beziehungsweise ihre Tochter lesbisch wäre.38 Darüber hinaus gibt es noch etliche Menschen, die davon ausgehen, dass man beeinflussen kann, ob man homosexuell ist oder nicht - eine Einschätzung, die je nach Bildungsstand unterschiedlich stark ausgeprägt ist.39

In eine Familie wird man hineingeboren, wächst mit ihr auf und entschließt sich im Erwachsenenalter, eine eigene Familie zu gründen - oder nicht. In der Online-Befragung sollte es neben den Erfahrungen mit Eltern, Geschwistern und anderen Verwandten der Herkunftsfamilie auch um die eigene Familienkonstellation und -planung der Befragten gehen. Zum Zeitpunkt der Befragung lebten 40 Prozent der LSBTTIQ* in einer festen Partnerschaft, 19 Prozent in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft und drei Prozent in einer (heterosexuellen) Ehe. 39 Prozent der Befragten leben ohne feste*n Partner*in. Bedingt durch die hohe Anzahl homosexueller Befragungsteilnehmer*innen in der Stichprobe, handelt es sich bei den festen Partnerschaften zu 90 Prozent um gleichgeschlechtliche Partnerschaften.40 Knapp die Hälfte der Trans* und Bisexuellen gibt dazu an, derzeit ohne feste*n Partner*in zu leben. Von den schwulen Befragten sind 41 Prozent ohne Partner, 36 Prozent leben in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft, 22 Prozent in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Etwa die Hälfte der Lesben (46 Prozent) lebt in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft, ein Viertel (25 Prozent) in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Mit 18 Prozent ist der Anteil der Trans* sowie der der Bisexuellen, die in einer Ehe leben, unter den befragten Gruppen am höchsten.

Der Vergleich zwischen den verschiedenen Altersgruppen zeigt, dass besonders viele Menschen zwischen 16 und 29 Jahren (52 Prozent) derzeit ohne Partner*in sind, während die Befragten über 45 Jahren nur zu 12 Prozent als Singles leben.

In der Befragung zeichnet sich ab, dass Lesben in Brandenburg deutlich häufiger als LSBTTIQ* mit Kindern in einem Haushalt leben. Ein Drittel der Lesben gibt an, Kinder unter 18 Jahren im Haushalt zu haben - davon 20 Prozent ein Kind, 13 Prozent zwei und ein Prozent vier Kinder. Im Vergleich: nur vier Prozent der Schwulen leben mit Kindern unter 18 Jahren sowie 21 Prozent der Bisexuellen und 23 Prozent der Trans*. Insgesamt leben vier Fünftel der Befragten kinderlos.

Die befragten LSBTTIQ*, die mit minderjährigen Kindern in einem Haushalt leben (ca. 20 Prozent), wurden danach gefragt, ob diese Familie als Regenbogenfamilie – eine Familie, in der mindestens ein Elternteil nicht heterosexuell ist – gilt. Etwa zwei Drittel der Befragten (65 Prozent) bejahten diese Frage. Von den Lesben, die mit Kindern unter 18 Jahren in einem Haushalt leben, gaben 81 Prozent an, als Teil einer Regenbogenfamilie zu leben.

Zum Teil sind nicht nur die Menschen, die nicht in das heteronormative Zweigeschlechtersystem passen, von Diskriminierung betroffen, sondern auch diejenigen, die ihnen nahestehen, wie Familie oder Freunde. Die Befragungsergebnisse zeichnen ein deutliches Bild: Besonders häufig sind es Partner*innen oder andere Menschen im Umfeld der Trans*Befragten, die negativen Reaktionen ausgesetzt sind, allein weil sie mit Trans* in Verbindung stehen. Zwei Drittel der Trans*, die an der Befragung teilgenommen haben, geben dies an. Hingegen verneinen die Frage nach Diskriminierungserfahrungen 56 Prozent der Bisexuellen, 57 Prozent der Lesben und 63 Prozent der Schwulen. Elf Prozent der lesbischen Befragten bestätigen, dass ihr/e Kind/er Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Orientierung ihrer Eltern ausgesetzt sind.

In der folgenden Übersicht sind einzelne Antworten der Studien-Teilnehmer*innen dargestellt, die sich auf Familie und Freundeskreis beziehen. Sie schildern verschiedene Diskriminierungsformen, die als Alltagssituationen von LSBTTIQ* in Brandenburg so im quantitativen Teil der Umfrage nicht abgefragt wurden.

  • "Nicht ernst nehmen der Partnerschaft: Meine Partnerin wurde nicht vorgestellt vor anderen, es wurde davon ausgegangen, dass es eine Phase ist und irgendwann der Richtige kommt, meine Beziehung wurde von anderen geheim gehalten."
  • "Ausgrenzung von anderen Kindern und insbesondere anderen Elternteilen im schulischen und freizeitlichen Bereich"
  • "Direkte Beschimpfungen, die Empfehlung, die Partnerschaft zu beenden, weil ich aufgrund meiner sexuellen Einstellungen 'nicht treu sein könnte', die Empfehlung, die Freundschaft mit mir zu beenden, da die Aussage, nicht heterosexuell zu sein, lediglich zur Aufmerksamkeitsgewinnung dient"
  • "Eltern werden im Freundeskreis gemobbt: Ihr Kind sei 'krank und abartig' und es sei eine Frage der Erziehung, die wohl 'schief ging'. Ein Sexualpartner wurde von seinen Freunden verspottet, dass er ja nicht schwul sein kann, wenn er mit einem Transmann Sex hat."
  • "Mein Vater hat zwei Töchter. Welche, die Dunkelhaarige oder die Lesbe? Dass ich blond bin, steht nicht mehr im Vordergrund."
  • "Meine Schwester hat mein Coming-out komplett ignoriert, nannte mich bei meinem Geburtsnamen, rollte mit den Augen wenn ich anfing, mit ihr darüber zu reden und war alles in allem in jeder Hinsicht unsensibel. Selbst wenn ich versuchte, ihr die Lage zu schildern, blockte sie komplett ab. Traurig ist das gerade, weil sie meint, ein Befürworter der LGBTQ-Community zu sein."
  • "Ich sollte in der Notaufnahme das Behandlungszimmer verlassen, als mein Sohn behandelt wurde, da die leibliche Mutter da war."
  • "Insbesondere strukturelle Diskriminierung, da ich in einer Regenbogenfamilie lebe und dadurch nicht gleichgestellt bin. Latent schwingt die Angst vor Diskriminierung immer mit [und] Angst, dass mein Kind ausgegrenzt wird. Sehr häufig [gibt es] negative Kommentare über die Familienkonstellation (Vater als Spender, der mehrere Kinder gezeugt hat, und Kontakt hält). Ausgefragt werden über Entstehung des Kindes."
  • "Partnerin soll unsere Beziehung laut ihrer Familie bitte nur im Verborgenen ausleben, es wirft schließlich ein schlechtes Licht auf die Familie. Man müsse sonst umziehen."

Offene Antworten zur Frage: "Haben Ihr/e Partner*in und/oder Ihr/e Kind/er und/oder andere Ihnen nahestehende Menschen (z.B. Eltern oder Geschwister) in den vergangenen fünf Jahren aufgrund Ihrer sexuellen Identität bzw. Zugehörigkeit zu TTI*-Menschen negative Reaktionen erfahren? Welche negativen Reaktionen wurden erlebt?"

Von besonderem Interesse ist die Frage, ob und in welchem Umfang brandenburgische LSBTTIQ* in (staatlichen) Institutionen Diskriminierungen aufgrund ihrer Familienkonstellation erleben. Bei den Ergebnissen fällt auf, dass Lesben, Schwule und Bisexuelle wie bereits in den vorhergehenden Feldern über vergleichsweise weniger negative Erlebnisse berichten. Die befragten Trans* aus Brandenburg wurden nach eigenen Angaben deutlich häufiger in Jugendämtern, Sozialämtern, im Einwohnermeldeamt, der Agentur für Arbeit, Standesämtern, bei Gericht, im Schul- oder Finanzamt, in Jugend- aber auch Beratungseinrichtungen diskriminiert. Diese Beobachtung zieht sich durch alle Lebensbereiche, die in der Online-Befragung thematisiert wurden.

Die Orte, von denen Benachteiligungen berichtet wurden, sind mit 14 Prozent Betroffenen die Jugendämter sowie mit 13 Prozent Betroffenen die Finanzämter, ebenso wie die Agenturen für Arbeit und die Jobcenter (13 Prozent). Daraus lässt es sich ableiten, dass 85 bis 90 Prozent der befragten LSBTTIQ* in Brandenburg, die in Kontakt mit den jeweiligen Behörden stehen, keine negativen Erfahrungen bezüglich ihrer Familienkonstellation gemacht haben.

 


37 Vgl. Coming-out - und dann...?!, S. 20.
38 Vgl. Einstellungen gegenüber lesbischen, schwulen und bisexuellen Menschen in Deutschland, S. 68.
39 Vgl. ebd. S. 84.
40 Mit Etablierung der Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare im Sommer 2017 dürften sich diese Werte in der nahen Zukunft merklich verändern und der Anteil von Eheschließungen in der LSBTTIQ*-Community deutlich erhöhen.

Auch die folgenden Ergebnisse machen deutlich, dass Sorgen vor dem Coming-out beziehungsweise der Sichtbarkeit als Lesbe, Schwuler, Bisexuelle*r, Trans* oder Inter* in Brandenburg in den Erfahrungen der Befragten eine hohe Bedeutung haben. Denn von den Befragten hat etwa die Hälfte (48 Prozent) in den vergangenen fünf Jahren negative Erfahrungen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung beziehungsweise geschlechtlichen Identität machen müssen. Ein Vergleich zwischen den Aussagen der in der Stadt und der auf dem Land lebenden Befragten ergibt, dass im Durchschnitt 53 Prozent der Städter*innen gegenüber 39 Prozent der im ländlichen Raum lebenden LSBTTIQ* in den vergangenen fünf Jahren diskriminiert wurden. Hierbei könnte es sich um einen für Brandenburg spezifischen Befund handeln, da Vergleichswerte aus Baden-Württemberg keine derart großen Differenzen zwischen Stadt und Land aufzeigen.33

Allerdings gibt es auch wohnort-spezifische Diskriminierungsformen: So zeigt sich, dass trotz der in den Städten höheren Diskriminierungshäufigkeit einzelne negative Reaktionen auf dem Land häufiger vorkommen, nämlich soziale Ausgrenzung, der Ausschluss aus Gruppen und Kontaktvermeidung. Bei letzterem ist der Unterschied besonders deutlich: 38 Prozent Betroffene in der Stadt, 65 Prozent auf dem Land.

Unabhängig vom Wohnort besonders häufig von Diskriminierung betroffen sind Trans*Personen. Die befragten Trans* hatten immerhin zu mehr als drei Vierteln negative Erlebnisse in den vergangenen fünf Jahren. So gibt es kaum eine befragte Trans*Person in Brandenburg, die keine Beleidigungen oder verbale Angriffe erfahren hat (92 Prozent berichten davon). Etwas mehr als die Hälfte der Lesben, 41 Prozent der Schwulen und zirka ein Drittel der Bisexuellen waren ebenfalls mit negativen Reaktionen wie Benachteiligung, Ablehnung oder Ausgrenzung konfrontiert.

Dabei berichten 80 Prozent der Betroffenen davon, angegafft zu werden und drei Viertel (76 Prozent) fühlten sich von Mitmenschen nicht ernstgenommen. Eine Vielzahl der Betroffenen sah sich auch Beleidigungen34 und verbalen Angriffen ausgesetzt und fast zwei Drittel (63 Prozent) berichten von einem unfreiwilligen Outing durch andere Menschen. Viele LSBTTIQ* in Brandenburg fühlen sich aufgrund ihrer sexuellen Orientierung beziehungsweise geschlechtlichen Identität sozial isoliert: 68 Prozent erleben die Vermeidung von Kontakt und jede*r Zweite (50 Prozent) die Ausgrenzung aus einer sozialen Gruppe. Es sind insbesondere die älteren Befragten über 45 Jahren, die am häufigsten von einer solchen Ausgrenzung betroffen waren. Sie sind es auch, die deutlich häufiger (zu 50 Prozent) als Jüngere durch die Beschädigung oder den Diebstahl von Eigentum diskriminiert werden. Dafür sinkt mit steigendem Alter die Wahrscheinlichkeit (19 Prozent in den vergangenen fünf Jahren), körperliche Übergriffe wie Rempeln oder Grabschen ertragen zu müssen. Insgesamt hat jede*r Dritte (33 Prozent) bereits mindestens einmal körperliche Übergriffe in Form von Schlagen und Treten erlebt. Sieben Prozent der Betroffenen ist sexuelle Gewalt widerfahren. Diese Ergebnisse sprechen - auch angesichts der hohen Dunkelziffern (nur ein Bruchteil der Übergriffe gegen LSBTTIQ* wird angezeigt) - dafür, dass die tatsächliche Zahl der Übergriffe und Gewalttaten gegen LSBTTIQ* um ein Vielfaches höher liegt, als es die polizeilichen Anzeigestatistiken vermuten lassen.

Gefragt nach den Orten, an denen die Teilnehmer*innen Diskriminierung erfahren haben, ist die Familie der meist genannt Ort. Je jünger die Befragten, desto häufiger wurden die negativen Reaktionen in der Familie erlebt. Trans* haben in den vergangenen fünf Jahren zu 78 Prozent negative Erfahrungen innerhalb der Familie erlebt. Dies betraf auch etwa die Hälfte der Lesben und Bisexuellen. Die schwulen Befragten haben zu 28 Prozent Diskriminierung im Familienkreis erfahren.

Danach folgen die Lebensumfelder Öffentlichkeit sowie der Freizeitbereich. Während der Anteil der Lesben, Schwulen und Bisexuellen, die in den genannten Bereichen negative Erfahrungen gemacht haben, bei zwischen 30 und 40 Prozent liegt, wurden etwa zwei Drittel der Trans* an öffentlichen Orten und im Freizeitbereich diskriminiert. Generell gilt, dass Trans* wesentlich häufiger als alle anderen zu queeren Subkategorien gehörenden Befragten von negativen Reaktionen betroffen waren. Mit der Schule folgt auf Platz vier ein Ort, an denen LSBTTIQ* am häufigsten negative Reaktionen erfahren, ein Bereich, der deutlich in landespolitische Zuständigkeit fällt. Die genannten Bereiche werden in den folgenden Kapiteln näher beleuchtet.

Die folgende Übersicht zeigt zur weiteren Illustration einige der Antworten auf eine offene Frage zu den erlebten Diskriminierungserfahrungen:

  • "Alle als „regelmäßig" gekennzeichneten Aussagen außer „Gaffen" werden eher indirekt mir gegenüber geäußert, meint: Wenn es in Gesprächen um LSBTTIQMenschen geht, dann wird generell über alle abwertend und beleidigend, schon fast verbal gewalttätig gesprochen; doch selten auf mich persönlich bezogen. Das indirekte Sprechen darüber ist am schwierigsten zu greifen."
  • "Strukturelle Formen von Gewalt gehören zum meinem täglichen 'Programm', sehr massiv insbesondere bei Behörden, in Krankenhäusern, von Ärzt_innen, bei Gericht, seitens der Polizei (z.B. wurde eine Anzeige nach einem gewaltsamen Übergriff auf mich von dem Polizisten nicht aufgenommen und ich wurde allein zurückgelassen. Auch der Täter wurde nicht gesucht.)."
  • "Wenn ich sage, dass ich Lesbe bin, glauben die Leute immer sofort, zu wissen, wer ich bin oder warum ich bestimmte Dinge tue oder warum ich welche Entscheidungen treffe. So wurde mir vor kurzem bei einem Bewerbungsverfahren unterstellt, dass ich die Bewerberin, die mir als meine neue Kollegin am geeignetsten erschien, nur deshalb bevorzugen würde, weil sie - wie ich - auch lesbisch sei. Dabei war mein Auswahlkriterium rein fachlich."
  • "Das Gespräch über die Geschichte der [ermordeten] Homosexuellen [während des Nationalsozialismus] im Spezifischen fällt mehr als der Hälfte der jungen Menschen sehr schwer. Viele fühlen sich peinlich berührt, andere werden herablassend, wenn sie sich bspw. die Videoaufnahmen am Gedenkort anschauen usw."
  • "Ich war im Vorstand eines Vereins. Mir wurde unterstellt, ich würde mich gern unbeobachtet in der Nähe vom Kindergarten und Schulhof herumtreiben, um Kinder zu beobachten. Diese Beschuldigungen entbehren jeder Grundlage, [...] aber es wird hier auf dem Land mit Homosexualität assoziiert. Ich habe den Vorstand des Vereins verlassen, da wir auch eine Jugendgruppe haben, mit der ich aber gar nichts zu tun hatte. Ich habe den Rückzug angetreten, um gar nicht erst irgendwelche neuen Gerüchte diesbezüglich aufkommen zu lassen."
  • "Allein, dass ich ständig ein Geschlecht angeben muss bzw. dem weiblichen Geschlecht zugewiesen werde, ist eine negative Erfahrung für mich. Allein, dass meine Identität/Nicht-Identität für die meisten Leute nicht sichtbar ist, weil wir in ihrem Weltbild nicht vorkommen (oder nur als problematische Exoten), ist eine negative Erfahrung. Erst werde ich als Frau gelesen und dann auch noch als Hetera."
  • "Ich bin sicher, dass ich viele negative Reaktionen dadurch vermieden habe, dass ich mir meine sexuelle Identität nicht habe anmerken lassen! Ich gehe nicht öffentlich mit meiner Frau Hand in Hand. [...] Ich rede auf einer Versammlung über meine Frau, es gibt laute Nachfragen, großes Unverständnis, vereinzelt Lachen. Kollegin erzählt von ihrem Urlaub im Ausland, ich solle auch mal hinfahren. Sage, dass mir das in meiner Familienkonstellation zu gefährlich ist. Die Runde ist sich einig, ich solle mir das Lesbischsein einfach nicht anmerken lassen."

Offene Antworten auf die Fragen: "Haben Sie weitere negative Reaktionen erlebt, die in der vorangegangenen Frage nicht aufgeführt waren? Falls ja, beschreiben Sie diese bitte kurz." / "In welcher Situation haben Sie negative Reaktionen aufgrund Ihrer sexuellen Identität bzw. Ihrer Zugehörigkeit zu TTI*-Menschen erlebt?" / "Wenn Sie bei der vorangegangenen Frage angegeben haben, dass Sie negative Erfahrungen in Ämtern und Behörden oder im Freizeitbereich gemacht haben, schildern Sie bitte hier kurz, wo genau Sie diese Erfahrungen gemacht haben."

Wie sind diese ersten Befunde zur Diskriminierungserfahrungen in Brandenburg einzuordnen? Das Niveau der Diskriminierungserscheinungen in der Summe liegt in Brandenburg (48 Prozent von Diskriminierung Betroffene innerhalb der vergangenen fünf Jahre) minimal unter dem aus Baden-Württemberg berichteten Erfahrungen (54 Prozent).35 Die erlebten Diskriminierungsformen ähneln sich stark und werden von „Gaffen“, „nicht ernst genommen werden“ und „lächerlich gemacht werden“ angeführt. Eine der schwerwiegendsten negativen Erfahrungen, sexualisierte Gewalt, wird von sieben Prozent der befragten LSBTTIQ* im Land Brandenburg leicht häufiger berichtet als in Baden-Württemberg (5 Prozent).36 Wie die negativen Reaktionen in den verschiedenen öffentlichen, schulischen und beruflichen Umfeldern und Lebenssituationen ausfallen, werden die folgenden Kapitel erläutern.

 


33 Vgl. Lebenssituation von LSBTTIQ-Menschen in Baden-Württemberg, S. 21. In der Befragung des DJI wurde ebenfalls deutlich, dass die Jugendlichen, die in Großstädten leben, am häufigsten Diskriminierungserfahrungen gemacht haben. Dafür ist das Coming-out im ländlichen Raum eine größere Herausforderung. Vgl. Coming-out - und dann...?!, S. 29 und 20.
34 In einer aktuellen Befragung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zu den Diskriminierungserfahrungen anhand der sexuellen Orientierung (nicht geschlechtlichen Identität), die auf den Daten einer Ende 2015 durchgeführten Umfrage (über 18.000 Teilnehmer*innen) zu erlebten und beobachteten Diskriminierungserfahrungen beruhen, zeigen sich ähnliche Ergebnisse, wenn auch auf niedrigerem Niveau: Etwa ein Drittel der Befragten gab an, abwertende Witze ertragen zu müssen beziehungsweise unerwünschte sexualisierte Kommentare. Etwa 40 Prozent der Befragten erlebte Beleidigungen/Beschimpfungen oder dass ihnen Rechte, die andere Personen haben, nicht zugestanden wurden. Die am häufigsten genannte Diskriminierungsform war: „Menschen wie ich wurden herabwürdigend dargestellt" (53 Prozent). Vgl. Kalkum, Dorina; Otto, Magdalena (2017): Diskriminierungserfahrungen in Deutschland anhand der sexuellen Identität. Ergebnisse einer quantitativen Betroffenenbefragung und qualitativer Interviews. Hg. v. Antidiskriminierungsstelle des Bundes. S. 20. URL: http://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Downloads/DE/publikationen/Expertisen/Expertise_Diskrimerfahrungen_in_DE_anhand_der_sex_Identitaet.pdf?__blob=publicationFile&v=4.
35 Vgl. Lebenssituation von LSBTTIQ-Menschen in Baden-Württemberg, S. 20.
36 Vgl. ebd. S. 23.

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