III. - Handlungsfelder des "Aktionsplan Queeres Brandenburg"
III.3. - Handlungsfeld - Selbstbestimmung und Selbsthilfe
III.3.1. - Selbsthilfestrukturen
Um Selbstbestimmung und Selbsthilfe von LSBTTIQ* im Land Brandenburg zu unterstützen, ist es erforderlich, Beratungs- und Unterstützungsleistungen flächendeckend zu gewährleisten. Dies bedingt unter den Gegebenheiten eines Flächenlandes wie Brandenburg die Nutzung von bereits bestehenden Strukturen aus anderen Politikfeldern (z.B. die Familienverbände), die für die Belange von LSBTTIQ* „fit“ gemacht werden müssen. Eine wesentliche Grundlage hierfür sind organisierte Interessenvertretungen der LSBTTIQ*-Community, um Bedarfslagen zu artikulieren, die notwendigen Kompetenzen aufzubauen und als Multiplikator*_*innen weiterzugeben.
Damit das Wissen um die Bedarfe der Community gebündelt wird, wurde im Land Brandenburg bereits Mitte der 1990er-Jahre die Landeskoordinierungsstelle für LesBiSchwule&Trans* Belange (LKS) des Landes Brandenburg gegründet. Seitdem wird sie durch das Land unterstützt – ähnlich wie auch andere Koordinierungsstellen und Interessenvertretungen (z.B. Familien- und Frauenverbände). Träger der Landeskoordinierungsstelle ist derzeit der Landesverband AndersARTiG e.V. Die LKS bündelt die in Beratung und Vernetzung auflaufenden Wünsche, Probleme und Bedarfe aus LSBTTIQ*-Gruppen und Vereinen sowie aus Einzelberatungen. Daneben berät die LKS die Landesregierung bei Fragestellungen im Kontext sexueller und geschlechtlicher Vielfalt. Durch die jährliche Beratungsstatistik ergeben sich wichtige Impulse und Orientierungspunkte für das Handeln der Landesregierung. Die LKS nimmt somit zwischen der LSBTTIQ*-Community und der Gesamtgesellschaft eine Brückenfunktion ein. Sie ist zugleich Schnittstelle zwischen Vereinen, Gruppen und Aktivist*innen aus der LSBTTIQ*-Bewegung und den zuständigen staatlichen Stellen.
Neben der LKS treten weitere Vereine wie Katte - Kommunale Arbeitsgemeinschaft Tolerantes Brandenburg e.V. für die Belange von LSBTTIQ* ein. Dabei geht es vielfach um die Beratung und Unterstützung von queeren Brandenburger*_*innen zu den unterschiedlichsten Themen wie Coming-out, Partnerschaft und auch vermehrt um den Kinderwunsch in einer queeren Beziehung. Der Verein Trans-Kinder-Netz e.V. (TRAKINE e.V.) setzt sich für die Belange von trans*-Kindern und trans*-Jugendlichen ein. Der Verein bietet Raum für den Austausch von Eltern für Eltern.
In der parallel zur Erstellung des Aktionsplans durchgeführten Online-Umfrage äußerten sich die Befragten auch zu den Angeboten aus der LSBTTIQ*-Community. Zwischen 90 und 100 Prozent halten Beratung zu Coming-out, in Fällen von Benachteiligung, Ablehnung und Ausgrenzung, Rechtsberatung und politische Interessenvertretung für (sehr und eher) wichtige Angebote, die es zu erhalten gilt.
Die LKS bietet ebenfalls die Möglichkeit von Aufklärungsarbeit und Qualifikation zu LSBTTIQ*- Lebensweisen für Jugendliche, Fachkräfte, Verwaltung und Wirtschaft an. Um die Community in den unterschiedlichen Landesteilen Brandenburgs zusammenzubringen bzw. eine neue Gruppe zu gründen, werden seitens der LKS Hilfestellungen für die Ehrenamtlichen vor Ort zu Fragen wie Förderung, Ehrenamtsbetreuung, Planung künftiger Projekte oder Organisationsberatung gegeben. Denn es ist wichtig, untereinander im Austausch zu sein und ein Sprachrohr in den politischen Raum und in die Verwaltungen zu haben.
Ehrenamtliche Akteur*_*innen haben in den unterschiedlichen Regionen Brandenburgs Gruppen, Stammtische, Freizeitaktivitäten oder Veranstaltungen gebildet bzw. initiiert. Sie engagieren sich im Großen und Kleinen in ihrer Region oder ihrer Gemeinde für die Belange von LSBTTIQ*. In der nachfolgenden Grafik wird ein Überblick darüber dargestellt.
Um die Selbsthilfestrukturen der LSBTTIQ*-Community zu unterstützen, welche größtenteils von der Arbeit durch Ehrenamtliche getragen werden, ist es sinnvoll, diese in die vorhandenen Regelstrukturen der unterschiedlichen Beratungsangebote zu integrieren. Dabei ist es wichtig herauszustellen, dass es nicht um den Ersatz spezifischer Angebote geht, sondern um deren Ergänzung.
Der erste Schritt zur Vernetzung der Strukturen ist die Kenntnis der Ansprechpersonen in den Beratungsstellen. So fördert das Land Brandenburg seit dem Sommer 2017 ein Regenbogenfamilienzentrum. Viele LSBTTIQ* möchten eine Familie gründen und mit dieser diskriminierungsfrei leben. Auch im Zuge der bundesweiten Einführung der Ehe für alle wird es einen wachsenden Beratungsbedarf von LSBTTIQ* mit Kinderwunsch geben.
Die spezifischen Fragen in diesem Zusammenhang sollen durch das spezielle Beratungsangebot beantwortet werden. Mittel- bis langfristig ist es aber das Ziel der Landesregierung, dass sich Regenbogenfamilien ebenso wie alle anderen Familien an die bisher bestehenden Beratungsstrukturen wenden können wie z.B. an Familienzentren oder Mehrgenerationenhäuser, um eine fundierte Unterstützung zu erhalten. Dafür muss das dort tätige Personal im Hinblick auf alle Bedarfe von Regenbogenfamilien fachlich geschult werden.
Ein wichtiger Punkt für die Arbeit von Selbsthilfestrukturen ist ihre finanzielle Ausstattung. Dabei ist eine gewisse Unabhängigkeit von rein staatlichen Mitteln anzustreben. Die Selbsthilfestrukturen sollen befähigt werden, Mittel aus der Zivilgesellschaft oder von Unternehmen eigenständig akquirieren zu können. Hierfür sind Fortbildungsmaßnahmen der Verantwortlichen notwendig. Bei der Vermittlung von Fortbildungsangeboten ist die Landesregierung gerne behilflich.
Auch ist eine Vernetzung und Kooperation mit der überregionalen LSBTTIQ*-Community in Deutschland erstrebenswert, um bereits vorhandene Fachkompetenz nutzen und voneinander profitieren zu können.